Gisèle Vienne «Extra Life»
Zwei Geschwister im Auto. Die beiden waren auf einer Party, im Anschluss sind sie losgefahren und irgendwo an einem Nicht-Ort stehengeblieben. Ein dunkler Parkplatz, Vögel zwitschern ungeduldig, bald dämmert es. Das Paar kichert, Chips werden gefuttert, Bier getrunken, wahrscheinlich sind auch Drogen im Spiel. Und die beiden erzählen, vertraut, distanziert, abgeklärt: von einer Missbrauchserfahrung, die sie als Kinder machten. Abgründe scheinen auf, nur notdürftig überdeckt von der Albernheit und der Unkonzentriertheit der zugedröhnten, übermüdeten Protagonist*innen.
Gisèle Viennes «Extra Life», uraufgeführt bei der «Ruhrtriennale» in Essen, dann beim «Internationalen Sommerfestival» in Hamburg und jetzt auf Tour durch Europa, beginnt als minimalistisches Sprechtheater: Menschen sitzen im Auto, sind nur schemenhaft zu sehen und diskutieren. Aber so einfach ist es bei Vienne nicht, ihre Arbeiten greifen aus in benachbarte Kunstgattungen, sind Objekt- und Puppentheater (auch diesmal sitzt eine lebensgroße Puppe beunruhigend auf der Rückbank). Die Diagonalen, die die Autoscheinwerfer in den Raum werfen, deuten darauf hin, dass der choreografische Blick der Künstlerin so wichtig ist ...
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Tanz Oktober 2023
Rubrik: Kalender, Seite 43
von Falk Schreiber
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