Glück
1973 war das schwierigste Jahr meines Lebens. Meine ganze Welt ist zusammengebrochen. Am schlimmsten war, dass ich – im Gegensatz zu den anderen Mitgliedern der Kompanie – nicht bei ihm, bei John Cranko im Flugzeug war. Normalerweise saß ich immer direkt hinter oder vor ihm. Diesmal, am Ende des USA-Gastspiels, bin ich mit Ricky – Richard Cragun – nach Brasilien geflogen, während die Compagnie zurück nach Deutschland flog. Als wir in Rio ankamen, hat meine Mutter mir gesagt, ich soll mich hinsetzen. Dann sagte sie mir, dass John tot sei.
Ich war wie paralysiert; Ricky hat alles organisiert. Der Flug zurück war ein Alptraum; ich fühlte mich schuldig, so als ob John nicht gestorben wäre, wenn ich nur bei ihm gewesen wäre. Als wir in Stuttgart ankamen dachte ich: «Ich kann nicht mehr tanzen; ich kann nie wieder tanzen. Ich gehe wieder zurück nach Brasilien.» Nach der Trauerfeier bin ich schnell aus der Kirche raus und stand etwas abseits. Plötzlich kamen alle Anwesenden – einer nach dem anderen – zu mir, haben mir die Hand gedrückt, oder mich umarmt. Als ob ich Crankos Tochter oder eine Familienangehörige wäre. In dem Moment wurde mir klar, dass ich bleiben musste. Aber es war hart: ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von tanz? Loggen Sie sich hier ein
- Alle tanz-Artikel online lesen
- Zugang zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von tanz
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Tanz Jahrbuch 2023
Rubrik: John Cranko, Seite 45
von Marcia Haydée
Frisch, gehaltvoll und couragiert hat sich die diesjährige Ausgabe des Festivals «TransAmériques» unter der künstlerischen Leitung des Doppelgespanns Martine Dennewald und Jessie Mill in Montreal präsentiert. Die beiden Frauen erweitern den ästhetischen Horizont mit einem dezidiert zeitgenössischen Zugriff auf die postpandemische Wirklichkeit mit all ihren...
Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie ich als junger Student an einem kalten und grauen Tag – zumindest meiner damaligen Sicht nach – in Hamburg ankam. Ich habe mich gefragt, wie lange ich wohl an einem Ort würde bleiben können, an dem ich mich so weit von meinen eigenen Wurzeln entfernt fühlte … Jetzt, 15 Jahre später, ist Hamburg meine Heimat geworden. Ich...
Eines Tages im Jahr 1974 habe ich meine Zahnspange kurz vor der Pforte des Opernhauses Wuppertal in eine blaue Seifendose gesteckt, habe den Pförtner gegrüßt und bin – noch bevor er etwas fragen konnte – im Ballettsaal des Tanztheaters Wuppertal verschwunden. Ich bin an jenem Tag dorthin gegangen, um zu erfahren, was mich eigentlich dazu bewegte, dorthin zu gehen.
...