Hindernislauf

An die Wiener «Josephs Legende» von 1977 erinnert sich Gerhard Brunner

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Egon Seefehlner, meinen «Entdecker», habe ich zeitlebens tollkühn genannt, weil er, als Generalintendant der Deutschen Oper in Berlin so erfolgreich wie erfahren, es gewagt hat, einen tanzaffinen Journalisten zum Ballettdirektor der Wiener Staatsoper zu berufen. Wie er dazu kam, erfuhr ich erst vor zehn Jahren. Klaus Geitel, sein tanzkritisches Gegenüber in Berlin, erzählte mir, dass er es gewesen ist, der das eigene «Nein» zu einer Berufung nach Wien mit einem Fingerzeig auf mich verknüpft hat. Wie auch immer: Ich war eine Notlösung, und die Erfolgschancen lagen kaum über null.

Ich hatte keine Führungserfahrung und bestenfalls Ahnungen davon, wie es hinter jenem Vorhang zugeht, der mich bis dahin von jedem Bühnengeschehen trennte. Wo zwei Jahre ein Minimum gewesen wären, verblieben mir zur Vorbereitung auf den «Job» acht Monate. Wie viele und welche Berühmtheiten die Einladung zuvor bereits ausgeschlagen hatten, weiß ich nicht. Eine davon mag ein gerade aufgehender Ballettstern namens John Neumeier gewesen sein. Meine Ernennung 1976 war begleitet von einem journalistischen Feuerwerk. Gezündet hat es ein Kulturredakteur der Zeitung «Die Presse», der gerade zum «Persönlichen ...

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Tanz Jahrbuch 2023
Rubrik: John Neumeier, Seite 110
von Gerhard Brunner

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