Von wegen Rassismus

Tänzer und Choreograf Amilcar Moret Gonzalez über die Titelpartie von John Neumeiers «Othello»

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Amilcar Moret Gonzalez, Sie haben 2013 in John Neumeiers «Othello» die Titelrolle getanzt, außerdem haben Sie vor einem Jahr selbst eine Version des Stoffes auf die Bühne gebracht, «Othello 2.0» in Kiel. Verstehen Sie die Vorwürfe aus Kopenhagen, dass das Stück rassistische Elemente habe? 
Nein, gar nicht. Ich verstehe wirklich nicht, was da passiert ist.

Tänzer*innen, heißt es, fühlten sich unwohl mit einzelnen Szenen … 
Auch wir Tänzer sind Menschen, wir haben unterschiedliche Meinungen.

Aber in John Neumeiers «Othello» sehe ich nichts, das man als rassistisch bezeichnen kann. Zunächst hat John das Stück ja nicht selbst geschrieben, das war Shakespeare, und als Choreograf bringt er eine Idee von dem Stück auf die Bühne. Und das Thema Rassismus steht schon im Stück, das ist nichts, das extra in die Handlung geschrieben wurde. Der Grund, weswegen Desdemonas Vater nicht akzeptiert, dass seine Tochter Othello heiratet, ist Rassismus, das steht alles bei Shakespeare.

Die Tänzer*innen in Kopenhagen hatten aber ein Problem mit einer bestimmten Figur, dem «Wilden Krieger». Die steht nicht im Stück. 
Aber der «Wilde Krieger» ist eine heroische Figur. Der Krieger ist, wie sich Desdemona ...

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Tanz 1 2023
Rubrik: Hinter den Kulissen, Seite 48
von Falk Schreiber

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