Keusche Begierde
Die Franzosen lieben das Tanztheater von Pina Bausch, das Kino von Rainer Werner Fassbinder – und Wim Wenders. Während der Regisseur in seiner deutschen Heimat zwar geachtet, aber selten stürmisch gefeiert wird, hat er unter den frankophonen Cineasten eine riesige Anhängerschar. Insofern kein Wunder, dass die Tanzversion von «Himmel über Berlin» ausgerechnet in Strasbourg erstmals über die Bühne ging.
Choreografiert von Bruno Bouché, interpretiert von seinem bestens präparierten Ballet du Rhin, verwandelt sich das 1987 in Schwarzweiß gedrehte Filmmärchen in eine keusche Lovestory. Sie beschwört zwar im Titel «Les Ailes du désir», also die «Flügel des Verlangens», schwingt sich aber nie zur ganz großen Leidenschaft auf.
Das Geschehen bleibt dicht an der Vorlage: Der Engel Damien verzichtet auf Unsterblichkeit – um seiner Liebe willen, die der Trapezkünstlerin Marion gehört. Die Choreografie kommt mit zwei Tutti-Szenen in Schwung, die Engels- und Alltagswelt gegeneinandersetzen. In der kosmischen Bibliothek blättert Homer – Pierre Doncq als Widergänger des legendären Curt Bois bei Wenders – durch imaginäre Bücher, umgeben von melancholischen Seraphim. Folgt der Schnitt auf eine ...
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Tanz März 2022
Rubrik: Menschen, Seite 31
von Dorion Weickmann
Biografie
TANAQUIL LE CLERCQ
Sie war schön, klug und geistreich, engagiert und eine der besten Balletttänzerinnen ihrer Zeit. Muse und Ehefrau George Balanchines, zugleich von Jerome Robbins verehrt. Dann der Schicksalsschlag: Mit nur 28 Jahren erkrankt sie an Kinderlähmung und kann fortan nicht mehr laufen. Und nun zeigt sich ein Wesenszug, der ebenso fasziniert...
Die Jury, der neben Arlette-Louise Ndakoze, Matthias Quabbe, Ana Vujanovic und unserer Autorin Melanie Suchy auch Annemie Vanackere und Ricardo Carmona vom gastgebenden Hebbel am Ufer (HAU) angehörten, hat ein enorm vielseitiges Programm zusammengestellt: eine Art Prisma der Gegenwartstendenzen. Zwei der geladenen Stücke haben wir bereits vorgestellt, Julian Webers...
Die Rue de Montorgueil ist eine teilweise verkehrsberuhigte Einkaufsstraße im Zentrum von Paris. 1878 malte Claude Monet das bunte Treiben in der Gasse, die heute gesäumt ist von Feinkostläden, Restaurants und kleinen Boutiquen. Am Eingang der Straße steht ein Kastenwagen, Mathilde, eine junge Frau im Sommerkleid, steigt aus, in der Hand einen Ghettoblaster. Ein...