Macht und Verlust

Die digitale Transformation macht auch vor den Archiven nicht halt. Sie müssen sich kritische Fragen gefallen lassen.

Eine reichhaltige Sammlung an Vorurteilen könnten Archivare in Deutschland anlegen. Eines kehrt regelmäßig wieder: Archiv = Staub. Sprich langweilig. Egal wie viele ihrer kostbaren Dokumente sie online stellen, dieses Vorurteil lässt sich einfach nicht aus der Welt schaffen. Dabei bieten Archive etwas an, das heute hoch im Kurs steht: Entschleunigung und Stille. Sie erlauben Blicke in die Vergangenheit, offenbaren deren Geruch, unverhoffte Umwege, unvorhergesehene Kreuzungen ... unter unseren Augen und Händen bekommt Geschichte Konturen.

Hier entsteht Geschichte, wird Geschichte geschrieben. Aber wie und nach welchen Plänen wurden diese Tempel des Wissens konstruiert? Wer kommt durch das Nadelöhr, sprich: ist bedeutend genug, dass der Nachlass hier Platz findet? Und dass die Lebenszeugnisse auch wirklich aufgearbeitet und ins System eingepflegt werden, damit sie überhaupt gefunden werden können? Wer bestimmt, welche Akten archiviert und nicht im Reißwolf erledigt werden? All diese Fragen sind in der zeitgenössischen Tanzszene virulent, seit das Förderprogramm «Tanzfonds Erbe» alle aufforderte, sich mit der Tanzgeschichte auseinanderzusetzen. Zwischen Recherche, Rekonstruktion und ...

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Tanz November 2021
Rubrik: Traditionen, Seite 43
von Claudia Henne

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