Nackte Haut? Nie!

Christian Spuck, Ballettdirektor in Zürich, hat am Moskauer Bolschoi-Ballett Virginia Woolfs «Orlando» choreografiert. Über seine Erfahrungen spricht er mit Lilo Weber

Christian Spuck, Virginia Woolfs Roman «Orlando» ist 1928 erschienen – ein Meilenstein der Queerness wie der literarischen Avantgarde. War der Stoff Ihr eigener Wunsch?
Ja, ich habe seit Langem mit dem Gedanken an ein Ballett zu «Orlando» gespielt und das dann Ballettdirektor Makhar Vaziev vorgeschlagen. Ich wusste, dass das auf Schwierigkeiten stoßen könnte, weil der Roman Gender Fluidity thematisiert und Russland den Ruf eines eher homophoben Landes hat. Aber die waren sofort begeistert.

Was fasziniert Sie an diesem Roman?
Dass es eine erfundene Biografie ist, die in fünf verschiedenen Jahrhunderten spielt, dass sie sehr leicht geschrieben ist, sich mit der englischen Literatur auseinandersetzt und mit verschiedenen Stilen spielt. Ich finde es faszinierend, wie die Hauptfigur Orlando nach einem siebentägigen Schlaf als Frau erwacht, aber sich als Person gar nicht verändert. Man würde denken, dass es ein Wahnsinnsereignis ist, wenn jemand auf einmal ein anderes Geschlecht hat. Aber in dem Roman ist es kein Ereignis. Es wird beschrieben, wie er sich im Spiegel als wunderschöne Frau betrachtet. Dann geht die Geschichte einfach weiter. Orlando ist das Geschlecht egal, aber sie muss ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von tanz? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle tanz-Artikel online lesen
  • Zugang zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von tanz

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Tanz Juni 2021
Rubrik: Queerness, Seite 14
von Lilo Weber

Weitere Beiträge
Ausstellungen 6/21

HERE
Sechs Tanzende bewegen sich in fast unmerklichem Tempo. Ihre Körper formen ganz allmählich immer neue Konstellationen. Dazu gibt es subtile Lichtwechsel, die die natürlichen Veränderungen des Tageslichts imitieren. Eine metrische Klangkomposition taktet die wie angehalten wirkende Zeit. Maria Hassabi, geboren in Zypern, fasziniert mit solchen...

Theater der Vielfalt

Paris hat, ohne Witz, zwei Treppen, die eine Reise wert sind. Die erste führt hinauf zu Sacré-Cœur und wird bei Schneefall gern als urbane Skipiste benutzt. Die zweite befindet sich im Ostflügel des Palais de Chaillot und ist mit Marmor ausgelegt. Dort steigt man hinab ins Foyer des Theaters und erblickt linker Hand eine Skulptur des kongolesischen Künstlers Freddy...

Tanz und Kunst Königsfelden

Dieser Leuchtturm tanzt. Er tanzt einen Monat lang, wenn die Tage lang sind und die Nächte kurz. In der Klosterkirche Königsfelden im schweizerischen Windisch bei Brugg finden sich alle zwei Jahre Tänzerinnen und Tänzer verschiedener Länder und Tanztraditionen mit Musikensembles und bildenden Kunstschaffenden zu einem Gesamtkunstwerk. Zumeist wird dies inszeniert...