Gender Trouble

Mann oder Frau? Die Gegenwartschoreografie durchkreuzt vertraute Schöpfungs- und Wahrnehmungsmuster: im Rückgriff auf versunkene Werke wie im Zugriff auf aktuelle Körperbilder

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Wer über körperliche Grenzgänge im Tanz nachdenkt, der wird ermitteln müssen, was Grenze in diesem Zusammenhang bedeutet. Er wird Aktionen, Inszenierungen oder Wahrnehmungsmomente suchen, in denen der Körper Abgrenzungen überwindet, von einer Seite der Grenze auf die andere wechselt oder zwischen Wechsel und Nicht-Wechsel changiert. Das bedeutet auch, nach den Kategorien von körperlichen Grenzen zu fragen und nach der Geschichte dieser Grenzen – und schließlich nach einem möglichen gesellschaftlichen Interesse an eben diesen Grenzen.

Zunächst lassen die Worte «körperliche Grenzgänge» vermutlich an das Austesten physischer Möglichkeiten denken und an Tanztechniken und -ästhetiken wie z. B. den in den 1980er- und 1990er-Jahren prominenten «Eurocrash». Das ist der Oberbegriff für einen Choreografiestil, der vor allem durch das Tempo und die Wucht, mit der die Körper der Tanzenden in und gegen den Raum und seine Abgrenzungen geworfen wurden, bestach. Louise Lecavalier, Muse des kanadischen Choreografen Édouard Lock, verkörperte wie keine Zweite die Lust am Risiko, wenn sie ihren Körper in horizontalen Spiralsprüngen in die Arme ihres Partners warf. Und Wim Vandekeybus ließ die Körper ...

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Tanz Jahrbuch 2016
Rubrik: Körper: Im Wandel, Seite 62
von Janine Schulze-Fellmann

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