Tänzerin des Jahres: Natalia Osipova
Sie besitzt das alabasterfarbene Gesicht eines Märchenwesens mit hohen Wangenknochen und schönen, dabei fest entschlossenen Lippen. Im Blick ihrer wachsamen Kinderaugen liegt Ernst, bisweilen Argwohn. Sie neigt dazu, auf Fragen zunächst mit entwaffnender Direktheit zu antworten, um dann, im Nachgang, noch einmal eine diplomatischere Replik zu formulieren. Wie die meisten Weltklasse-Ballerinen ist sie grazil und wirkt zerbrechlich, doch sobald sie spricht, überrascht die klangvolle Tiefe ihrer Stimme. Als ihr Wasser angeboten wird, entscheidet sie sich lieber für zwei große Tassen Kaffee.
Wir sitzen in einem Büroraum des Royal Opera House von Covent Garden. Natalia Osipova hat ihr Haar mit einem Lederband streng aus dem Gesicht zurückgebunden, trägt blaue Hosen, ein schwarzes ärmelloses Top mit leuchtend-buntem Blumenmuster und eine schlichte Silberkette um den Hals. Man könnte den Eindruck gewinnen, sie habe sich eilig und achtlos das Nächstbeste übergeworfen, doch besitzt sie eine so bezwingende Ausstrahlung und Präsenz, dass ihr Outfit wie ein überlegt zusammengestelltes Ensemble wirkt.
Unlängst hat sich Natalia Osipova während einer Aufführung des neuen Balletts von Wayne ...
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Tanz Jahrbuch 2014
Rubrik: die saison 2013/14, Seite 124
von Mike Dixon
Eigentlich ist er Theaterregisseur, aber seine Arbeit ist so choreografisch, dass sie auch die Tanzgemeinde begeistert. Bilder aus Bewegung, Licht, verschlüsselter Handlung und beklemmender Atmosphäre. Ein verwischter Spuk wie aus einer Schreckenskammer, umstellt von Videoscreens mit Großaufnahmen von Insekten, deren aggressives Angriffssummen die Stille...
Antony Rizzi ließ in seinem jüngsten Stück fürs Gärtnerplatztheater einen Tänzer sagen: «Ich danke Bill Forsythe, bevor er vergessen wird.» Es ist die bündigste Formel, auf die sich die logische Konsequenz aus den lakonischen Meldungen der vergangenen Monate um den Choreografen William Forsythe bringen lässt – im schlimmsten Fall. Am 31. Dezember 2013, einen Tag...
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