hunter
Marineblaue Hose, T-Shirt, ein feiner azurblauer Streifen schlängelt sich hüftabwärts bis zu den Füßen. Gebeugt sitzt die Frau an einem Tisch aus Plexiglas, rücklings zum hereinströmenden Publikum, das die Tribüne der zweiten Spielstätte des Berliner Hebbel-am-Ufer-Theaters entert und von dort aus den Blick auf einen zentral gehängten, weißwollenen Projektionsteppich heftet.
Eine Kamera überträgt auf das Textil, womit die Frau sich beschäftigt: Kinderfotos wandern durch ihre Hände, ein Indianer mit Federkopfputz, die Porträts unbekannter Gesichter und Bilder der Flower-Power-Ikonen Yoko Ono und John Lennon – mit Wallemähne überm nackten Popo. Die Frau beschneidet die Aufnahmen oder fackelt ihnen die Ecken ab, manche bearbeitet sie mit Nagellack, dann pinnt sie eine nach der anderen auf eine kreisende Etagere. Der Karneol-Ring an ihrem Finger tanzt dabei wie ein Irrlicht. Kaum ist der Drehteller rundum bestückt, spießt die Frau die nächsten Schnappschüsse auf lange Nadeln und stelzt sie damit ein Stockwerk höher. Bis zuletzt keine plane Collage, sondern ein dreidimensional bestücktes Bilderkarussell rotiert. Was der Topografie unseres Gedächtnisses entspricht, das nicht eine ...
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Tanz Mai 2014
Rubrik: produktionen, Seite 12
von Dorion Weickmann
Jean-Christophe Paré kennt das Metier aus fast jeder erdenklichen Perspektive. Er gehörte dem Pariser Opernballett an, wäre beinahe danseur étoile geworden, entschied sich aber in den 1980er-Jahren dafür, seine Energie im Rahmen der Groupe de recherche chorégraphique zu investieren. Ab 1990 wandte er sich dem zeitgenössischen Genre zu und wurde Pädagoge, danach...
Es gibt ihn, den «guten Schmerz». Man nennt ihn auch den «ehrgeizigen Schmerz». Er zeigt an, wann man Grenzen überwindet, der Körper zu neuen Ufern aufbricht, alte Routinen ersetzt werden, neue Erfahrungen entstehen. Fast jeder Tänzer ist besessen von solcher Schmerzerfahrung. Sie verschiebt das Limit der Belastbarkeit. Sie zeigt, dass man besser wird. Sie ist das...
Das Verhältnis zum Schmerz: Aus Sicht der Tänzer ist es ein fortwährender Dialog. Die «gute» Seite des Schmerzes gestattet dem Körper, an seine Grenzen zu gehen, ohne Schaden zu nehmen, indem der natürliche Abwehrmechanismus des Körpers respektiert, nicht ignoriert wird. Untersucht man das Verhältnis von Schmerz und Tanz, so ist es hilfreich, die jüngste Definition...