Tänzer in Teilen

Tanz - Logo

Die Liebesgedichte aus dem Mittelalter waren Gesänge vor dem Fenster der Angebeteten. Die Jungs priesen den Körper der Bewunderten von Kopf bis Fuß. Immer schön der Reihe nach. Von ihrem glänzenden Haar zum lieblichen Gesicht, und Stück für Stück immer weiter hinab, den makellosen Körper entlang bis zum zierlichen Fuß. In der orientalischen Dichtung erscheint der so besungene Körper wie eine Mahlzeit: Dein Busen apfelrund, Deine Haut weiß wie Milch, Deine Beine lang wie die Läufe der Antilope. Man hatte die Geliebte zum Fressen gern und nähme sie am liebsten mit Haut und Haar.



Das chinesische I Ging, das Buch der Weissagungen, sah die Körperteile etwas pragmatischer: «Das Schöpferische wirkt im Haupt, das Empfangende im Bauch, das Erregende im Fuß, das Sanfte in den Schenkeln.» Worauf Tänzer sich stützen, Beine und Fuß, sind auch im Fernen Osten erotisch. Über das Gesicht aber heißt es: «Das Abgründige wirkt im Ohr, der Schein im Auge, das Stillhalten in der Hand, das Heitere im Mund.»

Tanzen, denkt man, findet darum vom Hals erst abwärts statt. In einem Gelände, das Furcht und Begehren zugleich erregt. Seit je zerlegen Tänzer den Körper in Teile. Was sie überhaupt erst tanzen ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von tanz? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle tanz-Artikel online lesen
  • Zugang zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von tanz

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Tanz August/September 2008
Rubrik: Editorial, Seite 1
von Redaktion

Vergriffen
Weitere Beiträge
Rachid Ouramdane «Loin ...»

Unter den wenigen großen Autoren der Performance-Szene unterstreicht einer immer mehr seine persönliche Note. Rachid Ouramdane hinterfragt Identität mit immer philosophischerem Werkzeug. In «Loin ...» (weit, entfernt) blickt er in den Spiegel seiner eigenen Familiengeschichte. Es ist ein Blick in den Abgrund des Schweigens. Zwei dunkle Spiegel liegen auf der Bühne....

Jenseits

Computer sehen und entscheiden anders als Menschen. Unsere Augen suchen stets die Abweichung, um Freund von Feind, Gefahr von Genuss zu unterscheiden. Der Computer, ist er mit einer Video­kamera verbunden, erkennt erst mal nur Ähnlichkeiten. Er kann nicht anders. Für sein Werk casino social stellte der in Berlin bei Thomas Ruff studierte Künstler pablo zuleta zahr...

Die Füße

Hammerzehen, Hühneraugen und Hornhaut, Knick-Spreiz-Senk- oder Schweißfüße, Nagelpilz und Warzenbefall – was kann man nicht alles Hässliches haben an seiner Basis. Auch das sind Gründe, den Fuß zu verhüllen. Um ihn damit auch zu erotisieren. Fetisch Fuß. Ist nicht der weibliche Fuß oder Schuh ein Ersatzsymbol für das vermisste Glied des Weibs? Trost für den...