vortex temporum

Wie kommen Mathematik und Kosmologie auf der Tanzbühne zusammen? Indem Anne Teresa De Keersmaeker ein Schlüsselwerk der Spektralmusik inszeniert

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So sensibel. So unglaublich behutsam – man fürchtet fast, das feinstoffliche Gewebe, das sich dort auf der Bühne entspinnt, kann die grob-poltrige Realität einer Zuschauerschar kaum aushalten. «Vortex Temporum», ein «Zeitenstrudel», in den Tänzer und Musiker mit überwachen Sinnen, hoch empfindsamen Körpern gesogen werden, hin zu einem Verschwinden, zum Verlöschen des ganz wörtlich zu verstehenden Da-Seins, der Präsenz auf einer Theaterbühne.

Es scheint, als würde Anne Teresa De Keersmaeker derzeit mit jedem Stück zarter.

So überbrachte sie zuletzt in der großartigen «Partita 2», ihrem Duo mit dem französischen Choreografen Boris Charmatz, die humanis-tische Botschaft bereits ganz rein und doch fragil dosiert: ein Paar, das sich tanzend immer mehr findet, sich stützt, hält, trägt – spielerisch wie Kinder, fürsorglich wie zwei Versehrte. Und irgendwann in diesem perfekt einfachen Tanz zu Bachs Violin-Komposition treten die beiden ganz nah ans Publikum und berühren mit präzis choreografiertem Gebärdenspiel das eigene Gesicht: eine fortgetupfte Träne, das Wegpusten einer Wimper von der Fingerspitze, das sanfte Streichen über die Denkerfalte auf der Stirn. Eine so bezaubernde ...

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Tanz November 2013
Rubrik: produktionen, Seite 8
von Nicole Strecker

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