Rafaële Giovanola, Rainald Endrass «Standard»
Nie gewöhnt man sich beim Zuschauen daran, dass die drei Tänzerinnen und drei Tänzer nicht zwei, sondern je vier Beine haben. Oder vier Arme, welcher Begriff auch immer passt für die gestreckten Gliedmaßen, die den ebenfalls gestreckten Rest des Körpers tragen. Der Mensch als Winkel. Der Hintern als Höhepunkt. Dies ausgerechnet «Standard» zu nennen, zeugt von sauberer Ironie. Die renommierte Bonner Company Cocoon-Dance von Rafaële Giovanola und Rainald Endraß bezieht sich damit auf die Basis ihrer Recherche: die sogenannten Standardtänze.
Deren Unlockerheit, das betonte «Brust raus!», die kurzen, kontrollierten Schwünge beim Wenden, an den Oberkörper gepinnte, gespreizte Hände, die sich hinfort auf dem Boden spreizen, scharf abgewinkelt – das ist wiederzuerkennen. Die seltsam separierten Köpfe, die nichts lenken, sondern nur sich selbst drehen, neigen, ragen, hier: nach unten. Die Verkehrung aber, in ihrer Konsequenz, entwickelt ihr Eigenleben.
Die Tänzer formieren sich und ziehen ihre meist geraden Wege über die Bühne, sind Einzelne und immer Teil der Gruppe, zuweilen supersynchron. Die mattsilberne Kleidung und der spiegelnde Boden behaupten Glanz; prächtig ist das Geschehen ...
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Tanz März 2022
Rubrik: Kalender, Seite 40
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