Produktion des Jahres: Tauberbach

Der Müll, die Stadt und die Frau: Alain Platels Totentanz auf den Abfallbergen der brasilianischen Zivilisation überzeugt mit einer Ästhetik der Selbstbehauptung

«Tauberbach» ist das am meisten akklamierte Stück der Saison. Der Theatertreffen-Jury, die jährlich unter zehn Aufführungen traditionell eine Tanztheaterproduktion einlädt, wird die Entscheidung diesmal sicherlich besonders leicht gefallen sein. Alain Platels jüngstes Werk wurde uraufgeführt an den Münchner Kammerspielen, einer allseits als derzeit bestes deutsches Theater geadelten Schauspielbühne.

Ganz oben auf der Besetzungsliste steht Elsie de Brauw, Schauspielerin und Ehefrau des Kammerspiel-Intendanten Johan Simons, die sich seit Langem gewünscht hatte, ein gemeinsames Projekt mit Platel zu stemmen. Die Wahl fiel auf «Estamira», einen Dokumentarfilm von Marcos Prado über eine reiche Frau, die ihr Wohlleben freiwillig gegen das nackte Überleben auf einer Müllkippe in Rio de Janeiro eintauschte. Sie verbrachte dort zwanzig Jahre – in Kleid mit Hut und einer Perlenkette um den Hals. Der Film dient als Vorlage für «Tauberbach», die Tanzparabel über ein würdiges Leben unter unwürdigen Bedingungen, einen veritablen Theaterzwitter oder, noch besser, Bühnenbastard, was für Alain Platel allerdings nicht ungewöhnlich ist. Das passt trefflich zu seinen sogenannten Bastard-Tänzen, die ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von tanz? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle tanz-Artikel online lesen
  • Zugang zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von tanz

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Tanz Jahrbuch 2014
Rubrik: die saison 2013/14, Seite 118
von Eva-Elisabeth Fischer

Weitere Beiträge
honne dohrmann

In der Tanzsparte des Staatstheaters Mainz das Wort «Wunder» erst mal ins Regal zu räumen und die Aufschrift «Ballett» zu archivieren, das ist weise. In den Post-Schläpfer-Jahren gab dort eine angestrengt neoklassische Richtung den Tanz-Ton an, unter Nutzung sämtlicher Raffinessen von Bühnen- und Beleuchtungstechnik. Derweil zerrten die Choreografien den Tänzern...

martin schläpfer

Natürlich ist das nicht sonderlich originell. Weil der Choreograf und Chef des Balletts am Rhein gegenwärtig mit jedem Preis am Wegesrand ausgezeichnet wird. Macht aber nichts. Denn abgesehen von der allerhöchsten kreativen Qualität, Eleganz, Schönheit und Intelligenz, die seine beiden jüngsten Choreografien von Mahlers 7. Sinfonie und Adriana Hölszkys «Deep Field»...

im absprung

Antony Rizzi ließ in seinem jüngsten Stück fürs Gärtnerplatztheater einen Tänzer sagen: «Ich danke Bill Forsythe, bevor er vergessen wird.» Es ist die bündigste Formel, auf die sich die logische Konsequenz aus den lakonischen Meldungen der vergangenen Monate um den Choreografen William Forsythe bringen lässt – im schlimmsten Fall. Am 31. Dezember 2013, einen Tag...