Freiheit
Pina besaß die Fähigkeit, den nackten Kern einer Idee freizulegen. Ihre Arbeiten wirken, als hätte sie Anfang und Ende einer Szene oder eines Konzepts weggeschnitten und nur «die Mitte», also die Idee in Reinform, übrig gelassen. Beim Schauen ihrer Stücke wundert man sich als Zuschauer*in, woher alle diese Menschen auf der Bühne eigentlich kommen und wohin sie als Nächstes wohl gehen werden. Bestenfalls wird dem Publikum in solchen Momenten klar, dass es eine einzigartige Rolle übernimmt: die der Zeugenschaft von Pinas Arbeit.
Man ist nicht bloß betrachtend, sondern mitschöpfend tätig. Zuschauerinnen und Zuschauer erhaschen nurmehr einen flüchtigen Blick von einer Idee. Und es liegt in ihrer Verantwortung, den Rest der Geschichte selbst zu schreiben. Sie fühlen sich verbunden. Sie spüren, dass sie in Pinas Arbeit, Herz und Kopf, anwesend sind. Darin besteht Pinas Vermächtnis. Als vergleichsweise neue Tänzerin beim Tanztheater Wuppertal und in Pinas Kreationen fange ich gerade erst an, ihren Kosmos und mein Leben darin zu begreifen. Dieser Prozess ist einzigartig und ungemein stärkend. So wie Pina dem Publikum Raum lässt, die Leerstellen in ihren Arbeiten auszufüllen, habe ich ...
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Tanz Jahrbuch 2023
Rubrik: Pina Bausch, Seite 87
von Taylor Drury
Mit «Encantado» entführte Lia Rodrigues an der Brooklyn Academy of Music ihr Publikum in eine brodelnde, sich fortwährend wandelnde Welt. Ihre Performer*innen entwickelten sich von Wurzelgemüse über stampfende Tiere zu selbstbewusst umherstolzierenden Menschen, das Finale gleicht einer ausgelassenen, artenübergreifenden Gay-Pride-Parade. Von Justin Pecks neuen...
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Versuchung und wilde Verzweiflung. In dieser Nacht gehen sie Hand in Hand. Was soll sie tun? Was darf sie fühlen? Was sagen? Nichts. Rein gar nichts. Also weist sie ihm die Tür.
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