freier tanz
bedeutete zu Beginn des vorigen Jahrhunderts, dass Tänzer und Choreografen versucht haben, außerhalb eines Opernhauses ihr Auskommen zu verdienen. In der Regel gelang das nur, indem sie ihren brüchigen, auf Tournee verdienten Ruhm in eigene Schulen investierten, wie das Mary Wigman und Gret Palucca taten, und wie es heute Anne Teresa De Keersmaeker in Belgien tut. Auch für sie ist bei allem Erfolg (Seite 8) die Schule ein Basiscamp, und genauso betrachten das auch Politiker: Erst aus Bildung könne Kunst entstehen. Auch wenn nicht immer klar ist, ob die Kunst der Bildung dient.
Wer diese Gleichung infrage stellt, hat schon verloren. Es ist immer wieder dieser traditionelle Verweis auf Bildung, der schon vor hundert Jahren den freien Tanz beförderte. Die damalige Lebensreformbewegung war in erster Linie eine Bildungsreform, die zum Zweck einer freien Erziehung alte Hierarchien, Denkweisen und, mit dem Tanz, auch das Körperbild grundlegend auf den Kopf stellte. Davon geblieben ist ein Tanzerbe, aus dem aktuell das Vermächtnis der Pädagogin, auch Künstlerin Mary Wigman hervorsticht, vor allem ihr «Sacre» – in aktueller Jahrhundertfeierstimmung (Seite 56).
Dabei war diese Bildungsreform ...
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Tanz November 2013
Rubrik: editorial, Seite 1
von
Nach einjähriger Vorbereitungszeit geht Ingrid Lorentzen in die Vollen: Ein Blick zurück soll es sein und zugleich einer nach vorne, und dieser Kraftakt kennzeichnet ihre erste richtige Spielzeit als Direktorin des Nasjonal Balletten in Oslo: Gleich fünf Uraufführungen zu Anfang untermauern den Anspruch, auch international ein Zeichen des Aufbruchs zu setzen,...
Es hört sich an wie ein Pfeifen im Dunkeln. Im matten Schein auf leerer Bühne steht ein Trinkwasserspender. Hände klopfen auf die Gallone, als sei sie eine afrikanische Trommel. Das ängstliche Flöten, das nervöse Schlagen zwingt die Körper in Bewegung. Ein Gellen und spitzes Schreien entfährt den Körpern, sie beginnen einen entschlossenen Wechselgesang, es folgen...
So sensibel. So unglaublich behutsam – man fürchtet fast, das feinstoffliche Gewebe, das sich dort auf der Bühne entspinnt, kann die grob-poltrige Realität einer Zuschauerschar kaum aushalten. «Vortex Temporum», ein «Zeitenstrudel», in den Tänzer und Musiker mit überwachen Sinnen, hoch empfindsamen Körpern gesogen werden, hin zu einem Verschwinden, zum Verlöschen...