Erbe

Vom Umgang mit Bauschs OEuvre berichtet Bettina Trouwborst

Die junge Frau hat Angst – Todesangst. Sie tanzt um ihr Leben, gejagt von den schneidenden Klängen und erbarmungslosen Dissonanzen Igor Strawinskys. Elementare, rhythmische Wucht sucht ihren Körper heim. Tänzer nähern sich ihr bedrohlich. Sie sucht ihnen zu entkommen, schlägt die Arme um den bebenden Körper. Und neigt irgendwann, resigniert, den Kopf. Anique Ayiboe aus Togo ist das Opfer in Pina Bauschs wohl berühmtestem Werk «Das Frühlingsopfer» von 1975 – und tanzt es ergreifend.

Erst schüchtern, dann hilflos flatternd wie ein verängstigter Vogel, schließlich panisch wie eine in die Enge getriebene Raubkatze. Ayiboe ist Teil des Ensembles von Tänzer*innen aus 14 afrikanischen Ländern, die die Pina Bausch Foundation eigens castete für diese großartige Kooperation. In Germaine Acognys École des Sables im Senegal südlich von Dakar studierten Jo Ann Endicott, Jorge Puerta Armenta und weitere Probeleiter*innen das Opus Magnum ein. Die Aufführung beweist, dass das Erbe der Wuppertaler Ikone durch die Übergabe an andere Kompanien nicht verlieren muss, sondern, im Gegenteil, durch eine neue Interpretation eine neue Dimension gewinnen kann. Auch wenn die Afrikaner*innen Bauschs ...

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Tanz Jahrbuch 2023
Rubrik: Pina Bausch, Seite 58
von Bettina Trouwborst

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