Biomacht
Die Tänzer treten nacheinander auf. Jeder von ihnen eine vollkommene Monade, die einsam um sich selbst kreist, melancholisch oder wütend in den eigenen Körper verbohrt. Doch dann passiert etwas Unerhörtes. Zwei Tänzer nähern sich immer mehr einander an. Spannung baut sich bei den Zuschauern in einer der raren Vorstellungen der letzten Monate auf – sie werden doch nicht? Doch. Plötzlich sind die beiden Körper ineinander verschlungen. Sie brechen ein Verbot und zeigen, was nicht mehr sein darf: Berührung.
Es brauchte nur ein paar Tage, dann waren wir alle schon konditioniert: Anfassen ist nicht. Kaum war das Wort vom «Social Distancing» in der Welt, reagierte das Hirn schon leicht alarmiert, wenn im Film eine Frau mit ihrer Freundin den Eislöffel teilte. Oder Filmküsse unter Frischverliebten? Geht gar nicht. Unser Denken – es ist längst corona-infiziert. In jedem Körper lauert nun potenziell der Todfeind. Wir können ihn nicht hören, nicht schmecken, nicht riechen. Aber wir wissen: Er ist da. Mit einem Hauch kann er in uns dringen. Ja, er kann längst in uns sein, ohne dass wir es spüren. Wir können unserer Wahrnehmung, unseren eigenen Körpern nicht mehr trauen.
So ist der Körper des ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von tanz? Loggen Sie sich hier ein

- Alle tanz-Artikel online lesen
- Zugang zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von tanz
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Tanz Jahrbuch 2020
Rubrik: Jahrbuch 2020, Seite 30
von Nicole Strecker
Beschäftigt die GöteborgsOperans Danskompani Hellseher? Als ich im letzten Herbst durch das Werbematerial der Kompanie blätterte, stieß ich auf den Titel «Virus/Love. Contagious dance». Der Doppelabend wurde gegen Ende 2019 gezeigt, und beide Stücke kamen sehr gut an. Es scheint, als hätte die Kompanie ein ausnehmend glückliches Händchen für Themen: Fast alles, was...
Ich befinde mich derzeit in einer Art Zwischenwelt. In meinem unmittelbaren Umfeld war nichts, was ich als katastrophal empfunden hätte. In dem Künstlerumfeld sind alle Überlebenskünstler und prekäre Situationen gewohnt. So was wie bankrott gibt’s da nicht. Man hatte immer genau genug zum Überleben, und jetzt gerade überlebe ich auch. Es fühlt sich noch nicht an...
Ich zitiere sehr häufig einen Satz aus Amin Maaloufs Buch «Le Dérèglement du Monde» («Die Auflösung der Weltordnungen»): In Krisenzeiten sollte man (viel mehr!) in Kultur, Wissenschaft und Bildung investieren, denn kreative Lösungen dürfen wir von den Banken nicht erwarten.
Das ist alles.
Weitere Antworten auf die Frage, was bestehen bleiben muss und was sich...