Vision und Revision

Daniel Proiettos postkoloniale Lesart von «La Bayadère» passt zur Debatte um das klassische Erbe.

Daniel Proiettos «Rasa» ist nicht der erste Versuch, das 1877 uraufgeführte Ballett «La Bayadère» neu und zeitgenössisch auszudeuten – und so die koloniale Vorgeschichte und die exotistischen Fantasien herauszupräparieren, die Marius Petipas Original (und sämtliche Einstudierungen in seiner Nachfolge bis hin zu Alexei Ratmanskys Rekonstruktion beim Berliner Staatsballett) als Unterströmung und Oberflächenversiegelung begleiten.

2015 brachte die indische, in England lebende Choreografin Shobana Jeyasingh eine Version heraus, die als Dekonstruktion der klischeeseligen Urfassung gefeiert wurde. Seitdem ist das Thema «Appropriation» nie mehr zur Gänze verschwunden, also die Frage: Können wir die Klassiker des 19. Jahr-hunderts mit ihren – aus heutigem Blickwinkel – problematischen Abziehbildern fremder Kulturkreise auch künftig ohne Weiteres inszenieren, aufführen, betrachten?  

Ende vergangenen Jahres gewann die Debatte in Großbritannien an Schärfe, nachdem die Tanzkritikerin des «Guardian» einen durchaus nachdenklichen Artikel über chinesische Stereotypen im «Nussknacker», die schwüle Atmosphäre von «Le Corsaire» oder «La Bayadère» und Blackfacing am Beispiel des «Mohren» in ...

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Tanz Januar 2020
Rubrik: Menschen, Seite 24
von Dorion Weickmann

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