Blühende Fantasie

Lübeck: Wagner: Götterdämmerung

«Götterdämmerung» als Demonstration der Vererbungslehre? Wenn Hagen nach Siegfrieds Tod in einer brutal ausgespielten Szene seine Halbschwester Gutrune vergewaltigt, kann man diese Tat ganz aus den Genen begründen: Hatte sein Vater Alberich bei der Zeugung des Sohnes nicht einst Grimhild, der Herrschersgattin im Hause Gibichungen und Mutter von Gunther und Gutrune, ebenfalls sexuellen Zwang angetan? Man ist erstaunt, auf welche Ideen Anthony Pilavachi bei der Umsetzung des monumentalen Stoffes kommt, freilich immer gegründet auf genauester Werkkenntnis.



Und auf einer wahrhaft blühenden Fantasie. Warum nicht, so hat er sich offenbar gefragt, die Brünnhilde des ersten Akts als züchtige Hausfrau darstellen im Kreis ihrer neun teilweise mit Flügelhelmchen ausstaffierten Kinder? Nichts Heroisches hat sie an sich, wenn sie in eitel-dümmlicher Selbstbezogenheit der Walkürenschwester Waltraute die Rückgabe von Siegfrieds Liebespfand, dem Ring, an die Rheintöchter verweigert. Auch könnte die tiefe Erniedrigung, die sie im zweiten Akt erfährt, nicht besser vorbereitet sein: wenn sie dann als geschändete Frau am Hof der Gibichungen vorgeführt wird, mit wirrem Haar, ungeordneter Kleidung und ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt November 2010
Rubrik: Panorama, Seite 52
von Gerhart Asche

Vergriffen
Weitere Beiträge
Jenseits der Fächergrenzen

Das gab es noch nie: Eine deutsche Sopranistin gewinnt den auf italienisches Repertoire fokussierten Competizione dell’Opera in der Semperoper. Überhaupt sind deutsche Preisträger selten gewesen bei diesem größten Gesangswettbewerb, der in Deutschland stattfindet. Anja Harteros war 1996 im Finale, gewonnen hat damals Marina Mescheriakova. Später zählten, um bei den...

Zweifelnde Helden

So ganz weg war er nie. Selbst als noch kein Mensch den Barock-Boom vorausahnen konnte, der die Klassikszene erfassen sollte, gehörte Giovanni Battista Pergolesi zu den Komponisten, deren Werke auf Bühnen und Konzertpodien gespielt wurden. Das komische Intermezzo «La serva padrona» war in alten Opernführern lange das einzige Stück, das die Zeitspanne zwischen...

TV-Klassiktipps November 2010

ARTE
1.11. – 0.30 Uhr
Es wird einmal gewesen sein.
Dokumentarfilm von Anca Miruna Lazarescu über John Cages Musikstück «Organ2/ASLSP».

1./17./25./29.11. – 6.00 Uhr
Garrick Ohlson spielt Chopin: Klavierkonzert Nr. 1.

1.11. – 22.05 Uhr
Janácek: Aus einem Totenhaus.
Aix-en-Provence 2007. Musikalische Leitung: Pierre Boulez, Inszenierung: Patrice Chéreau. Solisten: Olaf Bär,...