Mythen, Sex und Edelmaß

Opernsommer in Italien II: Seit fünf Jahren leitet Pier Luigi Pizzi das Festival in Macerata. Diesmal präsentierte er unter anderem Vivaldis «Juditha triumphans» sowie Verdis «Attila» und «I Lombardi»

Vivaldis «Juditha triumphans» und Verdis «Attila» als Teile eines zusammenhängenden Opernabends zu präsentieren, der (mit kurzen Unterbrechungen) von 18 Uhr bis Mitternacht währt, mag zunächst nach einem Wagnis klingen. Doch auf den zweiten Blick finden sich in den Sujets der Stücke so viele Parallelen, dass die Paarung durchaus Sinn macht. So geht es hier wie dort um die Befreiung der «wahren Gläubigen» aus den Klauen eines lüsternen, heidnischen Kriegsherrn. Und in beiden Werken sind es der Liebreiz und das scharfe Schwert einer schönen Frau, die das Freiheitswerk vollenden.

Eine weitere Gemeinsamkeit besteht in der Mythologisierung der Geschichte(n) um die Gründung Venedigs: Die Serenissima wird als christliches Bollwerk gegen türkische Gefahr dargestellt – ein Topos, der sich wie ein roter Faden durch beide Libretti zieht.

Freilich ist Vorsicht geboten: Auch wenn man im Programmbuch des Festivals lesen kann, dass schon Vivaldi an eine szenische Aufführung seines auf einen lateinischen Text komponierten Oratoriums gedacht habe, gibt es für diese Vermutung keinerlei Belege. Weder das 1716 erschienene Libretto noch die in der Turiner Biblioteca Nazionale aufbewahrte ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt September/Oktober 2010
Rubrik: Festspiele I, Seite 36
von Carlo Vitali

Vergriffen
Weitere Beiträge
Schwanken darf sein

Flügelhelm gerade gerückt, Speer herausgestreckt, dann energisch aufs Opfer zugeschritten: «Hojotoho», entfährt es der aufstampfenden Aminta. Sir Morosus zuckt zusammen. Was natürlich alles nicht in der Partitur steht. Ebenso wenig wie Amintas sieben Monate währende Schwangerschaft. Doch eine vorgeblich Schüchterne, die auch noch anderes in die fingierte Ehe...

Die Gedanken sind frei

Was für Zeiten, als Wunder noch blau waren und man sich auf sie verlassen konnte. Richard Wagner hat in seiner Erläuterung zum «Lohengrin»-Vorspiel von einem «blauen Himmels­äther» gesprochen, von darin schwebenden Engeln, die den Gral tragen. Enkel Wieland hat dann viel später ein Konzept aus der Farbe gemacht: «Lohengrin» als Inbegriff romantischer Sehnsucht, der...

Mitsingen erwünscht

Spätestens seit die massenmediale Grundversorgung via Internet den hinterletzten Haushalt erreicht, gehört das Singen nicht mehr zu den Kernkompetenzen des Alltagslebens. Zumal der Nachwuchs lässt sich lieber auf dem iPod oder auf Youtube etwas vorträllern, als selbst die Stimme auszuprobieren.

Hausmusik am Wochenende? Fehlanzeige. Ein Klavier im Wohnzimmer? Kaum...