Gift, Galle und Flowerpower
Müßig zu spekulieren, wie sich Händels Schaffen entwickelt hätte, wenn er nach dem Erfolg seiner «Agrippina» in Italien geblieben wäre. Eines allerdings ist sicher: So bissige Töne wie in der 1709 entstandenen Komödie über den Cäsarenhof erlaubte er sich später niemals wieder – schon allein, weil sich in seiner neuen britischen Heimat alles verbot, was als Angriff gegen seinen wichtigsten Gönner, das hannoveranische Königshaus, aufgefasst werden konnte.
Solche Beschränkungen brauchte sich der 24-Jährige nicht aufzuerlegen: Das venezianische Publikum amüsierte sich seit jeher gern über höfische Intrigen und Korruptionsgeschichten; die durchtriebene Agrippina steht in einer Ahnenreihe, die bis auf Monteverdis Poppea zurückgeht.
An der Berliner Lindenoper siedelt Vincent Boussard das Giftstück in einem Heute an, das jedoch nichts mit platter Aktualisierung zu tun hat. Der Regisseur hört einfach auf die Musik: Der von Händel als gefährliche Witzfigur gezeichnete Kaiser Claudio (Marcos Fink) ist ein Fantasiedespot nach dem Muster von Alfred Jarrys König Ubu; der arglose, redliche Feldherr Ottone hingegen die am menschlichsten gezeichnete Figur. Kaiserin Agrippina darf ihr intrigantes ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
«Selbstverantwortlich» sei sie, «mutig» und «ein wenig versehrt von Zynismus und Resignation», so analysiert Hugo von Hofmannsthal seine Titelheldin. Außerdem habe Arabella «zu tief in gewisse Lebensdinge hineingesehen». Je länger man Juliane Banse auf der Innsbrucker Bühne betrachtet, desto größer wird die Gewissheit: Zumindest der Textdichter habe in ihr seine...
Francis Poulencs 1957 uraufgeführte Oper «Dialogues des Carmélites» passt nicht mehr in unsere Zeit – könnte man denken. Was soll der moderne, ideologiekritische Mensch mit dieser wahren Geschichte von Karmeliterinnen anfangen, die in den Nachwehen der Französischen Revolution singend zur Guillotine schritten? So dachte zumindest Benedikt von Peter, als er die...
Es ist verlockend, die «Lieder eines Jahres» mit «Night and Dreams», dem vor Kurzem erschienenen Recital ihrer Fachkollegin Measha Brueggergosman, zu vergleichen. Während die Kanadierin über üppige stimmliche Mittel verfügt, mit ihnen aber nicht genug anfängt, ist es bei Christiane Karg genau andersherum: Das Farbspektrum ihres leichten Soprans ist noch begrenzt,...