Klare Prinzipien
Mathias Lehmann hat sich auf eine dicht befahrene Kreuzung begeben, auf der von jeder Seite Gefahr droht. Von vorn kommen womöglich die Germanisten, von der Seite die Historiker, von hinten die Musikwissenschaftler. Aber vielleicht erwartet Lehmann gar keine Gefahr, sondern jeder der Ankömmlinge ist froh, dass er beim jeweils anderen einen neuen Blick erhaschen kann. Seine knapp 400-seitige Studie «Der Dreißigjährige Krieg im Musiktheater der NS-Zeit» behandelt ein relativ eng gefasstes, aber durch die beteiligten Disziplinen wiederum sich weit öffnendes Thema.
Diesem widmet sich Lehmann klugerweise aus mehreren Richtungen. Er hinterfragt beispielsweise, welche Rolle der Dreißigjährige Krieg im Bewusstsein und im Lehrplan der Nationalsozialisten einnahm. Dazu hat er interessante Quellen herangezogen, aus denen hervorgeht, wie subtil der Krieg des 17. für den des 20. Jahrhunderts nutzbar gemacht wurde. Exemplarisch zeichnet Lehmann auch die Grimmelshausen-Rezeption dieser Zeit nach, um von dort zu den von den Nazis favorisierten neuen Modellen des Musiktheaters überzuleiten. Auf diesem engmaschig vernetzten Fundament formiert Lehmann die Säulen seiner musikalischen Untersuchungen: ...
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