An der Baumgrenze
Während der ersten Takte seiner Canzonetta schnüffelt Don Giovanni an einer langstieligen roten Rose, trägt sie ins Parkett und baut sich vor einer älteren Dame in der ersten Reihe auf. Ihr ist der Anfang der ersten Strophe gewidmet. Während das Publikum hinten zu glucksen beginnt und der plötzlich Umworbenen Röte ins Gesicht steigt, ist der große Verführer schon in der nächsten Reihe, zieht einer breit gebauten Mademoiselle besten Alters das Sommerpelzchen von der Schulter und riecht daran.
Dazu stöhnt er so lüstern durch die Nase, dass weibliche Stimmen von den umliegenden Plätzen in Entzückensschreie ausbrechen. Die zweite Strophe reicht noch für den Kniefall vor einer alleinsitzenden Asiatin, dann wirft er die Rose verachtungsvoll in die Menge und entschwindet, bevor der Applaus einsetzen kann.
Bryn Terfel ist dieser Don Giovanni – auch ohne Kostüm und Maske. Ein Hüne von Gestalt, dessen Pianissimi sich zärtlich ins Ohr schmeicheln. Eine Wotanstimme, die unforciert fließt. Ein Kraftpaket als Clown. Ein Clown als Dämon. Niemand weiß, warum der Bass-Bariton aus Wales jetzt seinen letzten Don Giovanni gesungen hat. Eigentlich, sollte man meinen, ist Mozart doch (auch) für ...
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