Der kanadische Orpheus

Zum Tod von Léopold Simoneau

Der Ruhm des französischen Komponis­ten Henri Duparc beruht – ein einzigartiger Fall in der Geschichte der Musik – auf vierzehn Liedern. Die eindringlichste Aufnahme dieser Mélodies hat Léopold Simoneau hinterlassen. Eine davon trägt den Titel «Élégie». Es ist eine Totenklage. Der erste Vers lautet: «Oh! ne murmurez-pas son nom! qu’il dorme dans l’ombre.» («Oh, haucht nicht seinen Namen, lass ihn ruhen im Schatten»).

In der zweiten Strophe folgt der tröstliche Gedanke, dass die Tränen, die um den Toten vergossen werden, die Erinnerung an ihn frisch und grün halten – Chiffre für einen Elegiker, der zu den Unvergesslichen gehört, auch wenn es zu wenige sind, die ihn nicht vergessen haben: der kanadische Tenor Léopold Simoneau. Es ist symbolhaft, dass ihm mit der Rolle von Christoph Willibald Glucks Orphée in der Aufnahme unter Hans Rosbaud sein sängerisches Meisterstück geglückt ist. Er ist kein feuriger Held. Seine Darstellung hat Noblesse und zeichnet sich aus durch das Pathos der Distanz. Die Formung seiner Phrasen ist von apollinischer Schönheit.
Léopold Simoneaus Stimme war schlank, seidig-fein und silbrig glänzend, reich an changierenden Farben, strömend im Legato, geradezu ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt November 2006
Rubrik: Magazin, Seite 34
von Jürgen Kesting

Vergriffen
Weitere Beiträge
Die Hochzeit des Cherubino

Mangelnde Originalität im Mozart-Jahr kann man dem Opernhaus von Cagliari nicht vorwerfen. Die in dem sardischen Theater entstandene Ersteinspielung von Jules Massenets «Chérubin» ist ein überraschender Beitrag zur Rezeption der da-Ponte-Opern. Cherubino erscheint in Massenets später Comédie chantée als siebzehnjähriger Bursche, der bereits etliche Liebesabenteuer...

Das Ikea-Licht der Erkenntnis

Man kann wahrlich einfachere Themen für ein Musik­theater wählen als Platons Höhlengleichnis, diesen Dreh- und Angelpunkt griechischer Philosophie. Doch der ukrainische Komponist Vladimir Tarnopolski, geboren 1955, hatte sich schon bei seinem Münchener Biennale-Erfolg vor sieben Jahren («Wenn die Zeit über die Ufer tritt») dem großen Ganzen verschrieben. Nun also...

Banalitäten und Genialitäten

Wenn er daherkäme wie Hans Pfitzners Palestrina in der In­szenierung von Nikolaus Lehnhoff 1999, niemand könnte ihm böse sein: der Intendant als resig­nierter Romantiker im öffentlich-kommunalen Musikbetrieb. Zehn Jahre ist Tobias Richter nun in Düsseldorf, und schon die Bedingungen zu seiner Amts­übernahme waren keineswegs dazu angetan, ihn zum Strahlemann der...