Janácek: Katja Kabanova
Alles ist offen. In der Kleinbürgermietskaserne samt tristem Innenhof fehlen die Wände. Jeder kann jeden sehen. Nur eine hat einen Vorhang, die Kabanicha, unangefochtene Herrscherin über den Block. Eine Domina im doppelten Sinne: Blockwart und sexuelle Herrscherin über Kaufmann Dikoj (Stephen Owen), dem sie mit der Peitsche zu Leibe rückt. Damit die anderen nicht sehen, wenn Sittenstrenge über die Stränge schlägt, braucht diese Kabanicha einen Sichtschutz.
Das Bühnenbild von Gabriele Rechs «Katja»-Neuinszenierung ist ein Blickfang und zugleich verdichtetes, in eine undefinierte Gegenwart geholtes Sinnbild für die Enge der Personenkonstellation. Raum für kleine oder große Fluchten gibt es nicht. Nur ein klitzekleines Gärtchen für die Auszeit. Hier entspannen sich der freigeistige Lehrer Kudrjasch und seine Barbara; hier vereinbaren Katja und Boris (Thomas Piffka) Liebesnächte; hier zeigt sogar die Kabanicha ein wenig Gefühl, wenn sie welke Blütenblätter abzupft.
Bühnenbild und Inszenierung fanden in Kassel Zustimmung, auch die durchweg guten schauspielerischen Leistungen. Beim Gesang musste man Abstriche machen. Die Titelrolle mit Janat Harach zu besetzen, war leider kein guter ...
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Die letzte Stunde hat geschlagen. Es ist fünf Uhr morgens. Die genaueren Daten aber verweigert Dmitri Tcherniakov in seiner Neuinszenierung von Modest Mussorgskys «Chowanschtschina» an der Bayerischen Staatsoper. Als der russische Jungstar, der in seiner Heimat gleich mehrfach zum «Opernregisseur des Jahres gekürt» wurde, vor anderthalb Jahren an der Berliner...
Helsinki, Mitte März. Über der neuen, 1993 eröffneten Ooppera, dem lichtdurchfluteten Gebäude der Finnischen Nationaloper, strahlt die Frühlingssonne. Draußen, durch die verglaste Ostfassade gut sichtbar, glitzert der noch vereiste Töölö-See. Zwei Stunden vor der Premiere sieht man oben im Rangfoyer lauter heitere Gesichter. Aulis Sallinen, dessen 1978 im alten...
Engel, heißt es, beneideten uns Menschen, weil wir über einen Körper verfügen. Wenn das stimmt, können sie dem Doppelabend am Royal Opera House nur ihren Segen erteilt haben. In Ravels «L’Heure espagnole» wie in Puccinis «Gianni Schicchi» dreht sich alles ums irdische Begehren – auf der Folie von Sex (Ravel) und Geld (Puccini). Dass Sex und Geld als anrüchig...