Starke Musik, schwaches Libretto

Ersteinspielung: Siegfried Wagners Oper «Rainulf und Adelasia» bei cpo

Ahnenforscher finden bei den Wagners meist fruchtbaren Boden, nicht nur in der realen Familie. So begegnen wir in Siegfried Wagners «Rainulf und Adelasia» beispielsweise dem Ur-Enkel von Meyerbeers «Ro­bert le Diable».
Die historischen Figuren um Rainulf, Ade­lasia und Sigilgaita entdeckte Siegfried Wagner in Graf von Schacks Abhandlung «Die Geschichte der Normannen in Sizilien». Die Oper nimmt vereinzelt auch Bezug auf das Leben der Wagners, darunter auf Cosimas Falschaussage über ihre Tochter Isolde. Peter P.

Pachl macht in seinem fundierten Booklet-Text hier den eigentlichen, autobiografischen Anlass der Komposition aus.
Hätten wir nur das von Siegfried selbst stammende Libretto, man geriete umgehend in Versuchung, es dem Altpapier zu übereignen. Die Handlung um den Machtkampf zweier Brüder – angesiedelt im Jahr 1194 in Reggio Calabria – ist reichlich verquast. Wilde Versmaße und gedrechselte Reime sowie einige unbeholfen übernommene Bruchstücke aus den Texten des Vaters stellen zusätzlich unser Durchhaltevermögen auf die Probe.
Doch glücklicherweise ist das Ganze in Musik gesetzt. Und da liegen die Stärken des Werks, dessen Partitur im August 1922 abgeschlossen wurde: eine ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt Mai 2007
Rubrik: CDs, Seite 62
von Christoph Vratz

Vergriffen
Weitere Beiträge
Auf dem Prüfstand

Helsinki, Mitte März. Über der neuen, 1993 eröffneten Ooppera, dem lichtdurchfluteten Gebäude der Finnischen Nationaloper, strahlt die Frühlingssonne. Draußen, durch die verglaste Ostfassade gut sichtbar, glitzert der noch ver­eiste Töölö-See. Zwei Stunden vor der Premiere sieht man oben im Rangfoyer lauter heitere Gesichter. Aulis Sallinen, dessen 1978 im alten...

Ganz und gar Musik

Der Vorwurf, dass man in eine Dichtung etwas «hineingelegt» hätte, sei ihr stärks­tes Lob, ätzte Karl Kraus. Denn nur in Dramen, deren Boden knapp unter ihrem Deckel liege, ließe sich beim bes­ten Willen nichts hineinlegen. Er schrieb dies freilich nicht über Händels «Giulio Ce­sare in Egitto», sondern 1906 zu Wedekinds Lulu-Stücken. Damals war Händel ja auch kein...

«Gott hat mich immer gerne, doch ist er schrecklich weit»

Oper und Wahnsinn – das sind von ­alters her keine allzu weit von­einander entfernten Positionen. Nur dass sich die im Belcanto formgebundene Wahnsinnsarie in der Moderne zum existen­ziellen musikalischen Außer-sich-Sein entwickelt hat. Aber auch das kann (und erst dadurch wird es zur Kunst) mit klaren Kriterien und hohem ästhetischem Reiz verbunden sein, wie...