Im Schatten blut’ger Mädchenblüte
Manchmal ist die Liebe wie Fallobst. Plumpst unerwartet (und doch seit langem ersehnt) direkt vor unsere Füße, und eine bange Sekunde lang fragt man sich, ob man dieses Obst überhaupt aufheben sollte, oder ob dieses nicht vielleicht sich selbst, gleichsam hegelianisch, «aufhebt» und in die Lüfte entschwebt. Zu groß ist das Erstaunen über seine Existenz (und Essenz), über die Saftigkeit, Sinnlichkeit und Schönheit des Gegenstands, wie er da liegt, leise lächelnd.
Rosalie von Tümmler erlebt diesen Augenblick in Thomas Manns letzter Erzählung «Die Betrogene» aus dem Jahr 1953, und sie wird überwältigt von der Tatsache, dass die Natur der Liebe ausgerechnet an sie, die 52-jährige Frau, gedacht hat, dass sie (die Liebe) ihr gleichsam «widerfährt» als ein Wink des Schicksals oder Zufalls oder wie eine göttliche Fügung. Rosalie ergreift die vermutlich einzige ihr noch verbleibende Chance und wirft sich wie ein Wildfang in die Arme von Ken Keaton, dem US-amerikanischen Englischlehrer ihres Sohnes Eduard. Damit erheischt sie ein kleines, schmackhaftes Stück von der Seligkeit, nicht ahnend, dass diese von erschreckend kurzer Dauer ist. Der Tod, er lauert, hinter Bäumen verborgen, maliziös ...
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Opernwelt März 2023
Rubrik: Im Focus, Seite 22
von Jürgen Otten
Links, an der «Plaza de la corrupción», leuchten in Grün und Rot die gleichgeschlechtlichen Wiener Ampelpersönchen. Rechts versorgen drei resolute Damen vom Grill die Massen mit geistiger Nahrung, und zwar im extra populären flüssigen Aggregatzustand. Auf dem Steg, der zwischen Publikum und Graben verläuft, gehen inkognito sowohl der Stadtkommandant als auch der...
Wenn er in der ersten Probe ans Pult tritt, ist das Gros der Arbeit schon getan. Viel, ja: zu viel gilt es schließlich zu berichtigen, korrigieren, auszumerzen. Ohnehin hat Hartmut Haenchen gern eigenes Material dabei, was Musikerinnen und Musikern regelmäßig die Augen übergehen lässt. Fast in jedem Takt, fast auf jeder Note findet sich da ein für sie neues...
alpha
05.03. – 21.45 Uhr Rossini: Stabat Mater
Es wird selten aufgeführt, das «Stabat Mater» von Gioachino Rossini. Es ist zwar ein geistliches Werk, aber durch und durch vom Geist der Oper inspiriert. Deshalb braucht es erstklassige Solisten. Dieser Aufgabe stellten sich zum Start des Rossini-Jahres 2018 Howard Arman und der Chor des Bayerischen Rundfunks in einer...