Dichter lieben
Seltsam, dieser Beginn. Vertraut man leichtgläubig und naiv auf die drei vorgezeichneten Kreuze und liest man den Text, käme als Tonart eigentlich nur A-Dur in Frage – und ein optimistischer Gestus. «Im wunderschönen Monat Mai», das klingt nach ungehemmter, frühlingshafter Vorfreude. Doch schon die Spiel- und Singanweisung «Langsam, zart» deutet vorsichtig an, dass dem vielleicht gar nicht so ist.
Und ebenso zögerlich schwebt die Musik noch vor Heinrich Heines ersten Versen auf einem h-Moll-Sextakkord in den imaginären Raum, bleibt auch in der Folge vage, vorsichtig, mag anscheinend den Sonnenstrahlen nicht vertrauen. Erst beim Wort «Mai» erreicht das Lied die Tonika, verliert sich aber sogleich wieder in mollgetönten Zweifeln, bleibt selbst dort unsicher, wo der Dichter «alle Knospen sprangen» sieht. Vage, ungefähre Welt.
Um die einzigartige Lied-Kunst Christian Gerhahers und seines kongenialen Klavierpartners Gerold Huber zu begreifen, genügt im Grunde schon dieses eine Lied (beide verwenden natürlich die Bariton-Transposition in G-Dur). Gerhaher folgt – auf Hubers samtig-seidenem Klangteppich – Robert Schumann in jedem Ton mit einer Nachdenklichkeit und interpretatorischen ...
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Opernwelt Jahrbuch 2022
Rubrik: Bilanz des Jahres, Seite 62
von Jürgen Otten
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