Hektik im Hades

Gluck: Orfeo ed Euridice
BERLIN | KOMISCHE OPER

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Beinahe wäre hier eine zeitlose Inszenierung gelungen: keine Soldateska, keine Blutorgien, kein Sado-Sex in Unterwäsche. Aber so reaktionär wollte der Regisseur dann doch nicht sein, weswegen zumindest etwas Hospitalisierung geboten wird. Krankenhausbetten gehörten schon vor der Pandemie auf jede halbwegs anständige Bühne, Damiano Michieletto selbst benutzte diese Requisite bereits in Jules Massenets «Cendrillon», seinem Regiedebüt an der Komischen Oper Berlin vor vier Jahren.

Wir werden damit leben lernen müssen wie mit dem Virus – Tristan und Isolde, Mimì, Elektra und Lulu – ihnen allen stehen noch interessante stationäre Aufenthalte bevor. Jetzt also hat es Euridice erwischt. Und zu diesem Zwecke darf sie schon im ersten Akt auftreten (oder besser: aufliegen), also zu einer Zeit, wo sie im Stück eigentlich gar nicht vorgesehen ist.

Solche Eingriffe sind auch dem Sujet geschuldet. Als Oper mit nur zwei Rollen gehört «Orfeo ed Euridice» zu den größten Herausforderungen für Regisseure. Schon Gluck fand, bei allem Reformwillen, die Personaldecke eindeutig zu dünn: Er stellte noch einen Amor ein und sorgte mittels Chor sogar für noch größere Belegschaft. Dramaturgisch (und übrigens ...

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Opernwelt März 2022
Rubrik: Panorama, Seite 57
von Volker Tarnow

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