Ups! Sie macht es wieder
Wie soll man das nennen? «Wiederaufnahme» trifft es nicht. La Monnaie hat Krzysztof Warlikowskis «Lulu»-Inszenierung nach neun Jahren noch einmal hervorgeholt. Es war 2012 eine Tat, hyperambitioniert, supersimultan, eine eindrucksvolle Demonstration des Warlikowski-Theaters mit seinen Dauer- und Unterströmen an visualisierten Assoziationen und Parallelaktionen, szenischem Wühlen in den Psycho-Untergeschossen, an denen dieses Stück unter seiner Kolportage-Außenhaut so besonders reich ist.
Schmal ist der Streifen Himmel über Bergs/Wedekinds Weltgetümmel der Begierden und des Unglücks, momentweise wird er ahnbar, zwischen Lulu und Alwa vielleicht. Geräumig sind dagegen die Höllenkammern des Entsetzlichen: «Lulu» ist die Geschichte vom «Aufstieg» (in Anführungsstrichen) und zweifellos vom Fall des weiblichen Objekt des Begehrens, an dem sich Männer rächen, dafür, dass sie an ihnen schuldig wurden (Karl Kraus). Sie macht multiplen Missbrauch sichtbar, es gibt aber auch einen unsichtbaren, denn was wirklich geschah im Hause des Dr. Schön, als er die zwölfjährige Blumenverkäuferin in sein Haus nahm, können wir ja nur ahnen. Warlikowski hält diese dunkle Vorgeschichte schmerzhaft wach, ...
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Opernwelt Dezember 2021
Rubrik: Panorama, Seite 42
von Holger Noltze
Einem für alle – alle für Einem»: mit diesem Sprüchlein geißelte ein Kritiker vor 50 Jahren die eingängige Zwölftonferne, der sich angeblich die sensationellen Nachkriegserfolge des österreichischen Komponisten verdankten. Das traf den Nagel irgendwie auf den Kopf, nur drang er leider gleich so weit ins Gehirn der Öffentlichkeit, dass Gottfried von Einem auf Dauer...
Ruggero Leoncavallos «Pagliacci» – hierzulande besser bekannt als «Der Bajazzo» – ist im Grunde ein Stück Meta-Verismo, nein: fast schon zitatreiche Postmoderne (nur mit Authentizitätsfeeling). Da sich der Verismo um 1900 per se anschickte, glaubhaftere Stoffe von der Straße zu erzählen, darf der unförmige Tonio im «Pagliacci»-Prolog sogleich herrlich pathetisch...
Das Glück ist eine zarte Pflanze. Fragil ist es, stetig in Gefahr, geknickt zu werden und denjenigen, der es gerade noch in Händen zu halten glaubte, in die Verzweiflung zu treiben. Und wenn einer weiß, wie sich das anfühlt (und wie man davon in leidenschaftlichsten Tönen singt), dann ist es Jaufré Rudel, jener sagenhafte Troubadour, dem die Frauen hundertfach zu...