Ein Lehrstück für die Sinne
Diese Aufführung ist ein Angriff auf alle Sinne. Wer Bertolt Brechts Lehrstück aus dem Jahr 1939 für politisch überholt und seine Vertonung durch Paul Dessau aus dem Jahr 1951 für musikalisch blass hielt, wird durch die Stuttgarter Inszenierung eines Besseren belehrt. Aktuell ist «Die Verurteilung des Lukullus», die bei ihrer Uraufführung an der Ost-Berliner Staatsoper unter die Räder der DDR-Kulturpolitik geriet, noch immer.
Selbst Dessaus musikalische Collage entfaltet mit ihrer herben Klanglichkeit für postmodern geschärfte Ohren plötzlich ganz neue Seiten, wenn sie so engagiert und überzeugend ausgeführt wird, wie vom Staatsorchester Stuttgart unter der Leitung des hellwach alle Fäden zwischen Graben und Bühne zusammenhaltenden Bernhard Kontarsky, dem man seine 84 Jahre nicht anmerkt.
Für die entscheidende Setzung freilich sorgt das Musiktheaterkollektiv Hauen und Stechen – die Regisseurinnen Franziska Kronfoth und Julia Lwowski, die Bühnen- und Kostümbildnerinnen Christina Schmitt und Yassu Yabara sowie der Videokünstler Martin Mallon, die ihre Erfahrungen aus der freien Szene einbringen und die imaginäre Wand zwischen Bühne und Publikum mit einem bildgewaltigen, ...
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Opernwelt Dezember 2021
Rubrik: Im Focus, Seite 8
von Uwe Schweikert
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