Präzisionskunstwerk
Manchmal ist die Geschichte eines Albums fast ebenso spannend wie die Interpretation selbst. Eigentlich war dieser «Fidelio» als Livemitschnitt aus dem Dresdner Kulturpalast geplant. Corona verhinderte die konzertanten Aufführungen, zwei Monate später traf man sich trotzdem dort, sang und spielte eben vor leerem Haus für die Mikrofone. Oper als Studioproduktion, das ist unter heutigen finanziellen Gesichtspunkten ein Anachronismus. Das Problem nur: Chorgesang war damals, im Juni 2020, verboten – also wurde alles ohne Kollektiv aufgenommen.
Für die Pizarro-Arie holte man später den MDR-Rundfunkchor, für die übrigen großen Szenen den Chor der Semperoper. Beide Ensembles steuerten ihre Parts nachträglich bei und wurden hinzugemischt.
Als Hörer merkt man davon so gut wie nichts. Mag sein, dass andere Einspielungen von Beethovens Oper größere chorische Wucht entfalten. Aber weder pure Überwältigung noch heißlaufender Furor oder klangliches Imponiergehabe lag in der Absicht von Dirigent Marek Janowski. Der 82-Jährige ist ein mit allen Kapellmeisterwassern gewaschener Genauigkeitsfanatiker. Und das hat nichts mit Pedanterie zu tun, sondern mit Sorgfalt und Demut. Man höre dazu nur die ...
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Opernwelt November 2021
Rubrik: Hören, Sehen, Lesen, Seite 27
von Markus Thiel
Die große Griechenoper zur Befreiung der Hellenen von ottomanischer Herrschaft muss noch geschrieben werden. Aber vielleicht wäre ein solches Vorhaben ohnehin keine gute Idee: Die hierbei allfällige Schwarzweiß-Zeichnung böser Türken und guter Griechen als bluttriefendes Schlachtengemälde würde, zumindest in Europa, im Zeichen der in diesem Jahr Geburtstag...
Die Idee hatte Aviel Cahn, seit 2019 Intendant des Grand Théâtre de Genève. Und sie war kühn. Gleich neun verschiedene Institutionen sollten gemeinsam ein Opernlabor ins Leben rufen. Doch das Interesse war groß genug. Die Idee wurde Wirklichkeit, erhielt den Namen «OperaLab» und vereinigte als Mitstreiter unter anderem die Comédie de Genève, die Musikhochschulen in...
Etwas ist anders als sonst. Genauer: eine Figur, die das Stück gar nicht vorsieht. In wallendem Gewand schwebt der holde Knabe im lockigen Haar (Felix Hennig) über die Bühne und um die Figuren herum, immer eine oder mehrere Puppen in den Händen, den Blick mit hingebungsvoller Zärtlichkeit auf die Protagonisten gerichtet. Ein Engel mit weißen Flügeln, der nicht nur...