Stunde der Wahrheit

Taugt die Krise als Pflicht und Chance, es alsbald anders zu machen? Drei Beispiele des Gelingens in einer nur scheinbar gescheiterten Spielzeit: Mit Händels «Tolomeo» transzendiert Regisseur Anthony Pilavachi das Artifizielle barocker Operngestik und das derzeitige Distanzgebot am Theater Lübeck, zu Saisonbeginn noch mit echtem Publikum im Saal, zu berührendem Musiktheater. Die Selbstbezogenheit der Figuren wie ihr Erspüren erotischer Energien wird umso stärker Ereignis, als es nicht mit konkreter Nähe verbunden werden darf.

In Mannheim entzündet Regisseur Lorenzo Fioroni mit Rameaus Meisterwerk «Hippolyte et Aricie» ein fantastisches Feuerwerk der Fantasie und beschert dem zum Saisonende digitalen Publikum eine Musiktheater-Erfüllung. Die Produktion am Nationaltheater spürt spielerisch leichtgängig auch jene Parallelen auf, durch die wir die Zeitgenossenschaft des barocken Lebensgefühls und Theatergeistes vor Augen und Ohren geführt bekommen. Die der Übertragung vorgeschaltete Einführung, in der sich Dramaturgin und Intendant lustvoll und klug die Bälle zuspielen, macht neugierig – und beweist, wie wunderbar sich digitale Kanäle für die Vermittlung anspruchsvoller Inhalte eignen. ...

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Opernwelt Jahrbuch 2021
Rubrik: Umfrage Kritikerstatements, Seite 114
von Peter Krause («Opernwelt», Hamburg)

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Krise als Chance

Ein «sonderbar Ding» ist die Zeit, das wissen wir aus dem «Rosenkavalier» von Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal. Thomas Mann nannte sie «wesenlos und allmächtig», auch das trifft es hervor­ragend. Blickt man nun zurück in das vergangene Spielzeit-Jahr, so kommt man nicht umhin, an diese beiden Zuschreibungen erinnert zu werden. Denn es ist in der Tat...

Wichtige Streams der Saison

Dass der Autor Clemens Meyer ein schrill-schräger und ziemlich schlauer Typ ist, weiß jeder, der seine Romane gelesen hat. So auch Meyers Nachtstück Im Stein, welches in grellen Bildern die Suche einer durch den Mauerfall schwer irritierten Generation nach ihrer Identität und nach dem Sinn des Lebens schildert. An den Bühnen Halle sollte eigentlich in dieser...

Alles auf Anfang?

Beginnen wir mit einem Zitat von Carolin Emcke, aus deren Pandemie-Tagebuch: «Wenn wir jetzt nicht nachweisen, was wir können, wenn wir jetzt nicht begründen, warum es uns, die wir Geschichten erzählen, fiktive oder nicht-fiktive, die wir die Wirklichkeit verwandeln oder beschreiben, die wir Trost spenden oder Wissen vermitteln, die wir Wörter oder Konzepte wiegen...