Neu entdeckt

Gounod: Faust
KÖLN | OPER| STAATENHAUS

In ihrem gerade erschienen Band «Auch morgen. Politische Texte» geht die Schriftstellerin Nora Bossong der Verführung durch das Böse auf den Grund ‒ und führt den Joker aus den «Batman»-Filmen als Musterbeispiel für die psychopathisch grinsende Anarchie des Bösen an.

Dagegen erscheint ihr Goethes Mephisto weit harmloser, eher ein Vertreter höfischer Diplomatie als des modernen Vernichtungskriegs: «Das Goethesche Böse ist Verführung und zynischer Witz, ist eine Wette auf die Freiheit, aber nicht auf das Chaos, und man spürt hinter allem noch die sichere Ordnung, als fände selbst die Walpurgisnacht im Lesesaal einer humanistischen Bibliothek statt.»

In Johannes Eraths Kölner Inszenierung von Gounods «Faust» findet die Walpurgisnacht zwar nicht in einer Bibliothek, sondern in einer Art Frontlazarett oder Irrenhaus statt. Das Böse aber ist auch hier, auf der Bühne des Staatenhauses, keine wirkliche Bedrohung der Ordnung durch das Chaos. Méphistophélès gibt wieder einmal den trickreichen Taschenspieler ohne wirkliche Abgründe. Samuel Youn singt ihn mit kantiger, auch verführerischer Bassgewalt ‒ spielt ihn aber weitgehend als Charge, die keine Gelegenheit versäumt, sich eine Kippe ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt August 2021
Rubrik: Panorama, Seite 35
von Michael Struck-Schloen

Weitere Beiträge
Bumm, bumm!

«Alle maskiert, alle maskiert, wo Spaß und Tollheit und Lust regiert!» Wer sich in den Foyers und im Saal der Komischen Oper umschaut, muss an Johann Strauss’ «Eine Nacht in Venedig» denken. Über die Bühne geht dann aber ein anderes Werk des Walzerkönigs: «Der ‹Zigeuner›baron», wie er hier heißt. Die 100- Minuten-Fassung von Tobias Kratzer ist nicht nur...

Blockhaft

Man ist es zwar langsam leid, immer wieder die Pandemie bemühen zu müssen. Doch mit den viralen Verwerfungen wird sich der Kulturbetrieb wohl noch lange herumschlagen müssen. Was zunehmend schmerzlich erfahrbar wird, ist allenthalben spürbare Diskontinuität. Ehe sich im November 2020 die Vorhänge auf unbestimmte Zeit schlossen, waren in Österreich die ersten...

This sucks balls

«Fuck! This sucks. This sucks balls. This is shit. This is fucking shit!», ruft der Bariton beziehungsweise die Figur B zu Beginn – was man halt so lernt im Opernstudio der Bayerischen Staatsoper. Denn für dieses hat Miroslav Srnka gemeinsam mit dem Librettisten Tom Holloway eine Oper entwickelt, die bereits sein bereits drittes abendfüllendes Auftragswerk unter...