Überreife Frucht

Wiederentdeckung: Rudi Stephans Oper «Die ersten Menschen» in Amsterdam, dezent, klug inszeniert von Calixto Bieito, wohltuend transparent dirigiert von François-Xavier Roth

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Inzest ist auf der Opernbühne keine Seltenheit. Ganz offen wird das Tabuthema Geschwisterliebe in Richard Wagners «Walküre» verhandelt, missbräuchliche Vater-Tochter Begierden rumoren gefährlich auch in Richard Strauss’ «Salome» und bilden so den Urgrund für das vom Todestrieb besessene Begehren der Titelfigur.

Wie sich überhaupt dysfunktionale Familienstrukturen sowie der Sog verbotener, zerstörerischer Lust wie ein roter Faden durch Spätromantik, Impressionismus und Expressionismus bis in die Moderne ziehen, von Claude Debussy, Alexander Zemlinsky, Franz Schreker und Erich Wolfgang Korngold bis zu Alban Berg.

Eine in schwüler Vorkriegsluft bis zur Überreife vergorene Frucht dieser Strömung, in der sich weit mehr als nur eine Mode ausdrückt, ist Rudi Stephans 1914 vollendete Oper «Die ersten Menschen», deren gleichnamige Textvorlage (Otto Borngräber) im Untertitel drohend als ein «erotisches Mysterium» bezeichnet wird. Der 1887 in Worms geborene, 1915 bei Tarnopol im Alter von nur 28 Jahren gefallene Stephan zählte zu den Komponisten an der Schwelle zwischen Spätromantik und Moderne und galt zu Lebzeiten als große Hoffnung. Sein früher Tod ließ sein im Umfang schmales Œuvre in ...

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Opernwelt August 2021
Rubrik: Im Focus, Seite 10
von Regine Müller

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