Wer das Groteske sät, wird die Farce ernten

Glyndebourne kann auch nicht erklären, was Bachs «Matthäus-Passion» auf der Bühne zu suchen hat, und präsentiert Verdis «Macbeth» als blutigen Cartoon-Strip

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Silbern glänzte der Horizont und spiegelte sich in vielen kleinen und größeren Seen. Die Bäume davor schwarz und filigran, als wären sie Scherenschnitte. Grausame Ästhetik, denn die Seen waren überschwemmte Äcker und Wiesen; die viele Tage währende Juli-Sintflut hatte weite Strecken lieblicher englischer Landschaft unter Wasser gesetzt und zahlreiche Ortschaften verheert. Ambivalenz des Elementaren, Schönheit und sinnloses Unglück, von einer scheinbar gleichgültigen Macht nach Belieben verstreut.

Herrscht blind das Schicksal? Lebt kein Gott?
Fragen, die natürlich weit über den «Freischütz», über die Opernbühne überhaupt hinausreichen. Aber in diesem Jahr schienen sie zugleich eine Brücke zwischen Salzburg und Glyndebourne zu schlagen. Zwar stand Webers Oper 2007 nur an der Salzach im Spielplan, doch die Fragen fanden sich sinngemäß auch im Programmbuch des Festivals in den Sussex Downs. Um der hinter seiner Existenz befürchteten Sinnlosigkeit zu entfliehen, habe der Mensch sich Religion und Kunst er­dacht, schreibt die Religionshistorikerin Karen Armstrong (nicht identisch mit der Sopranistin gleichen Namens) in ihrem Beitrag zur szenischen Auffüh­rung von Bachs Matthäus-Passion. ...

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Opernwelt September/Oktober 2007
Rubrik: Festspiele I, Seite 30
von Gerhard Persché

Vergriffen
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