Die Engel müssen warten

Emmanuelle Haïm ergreift in ihrer Einspielung von Händels erstem Oratorium Partei für irdische Wonnen

Händels erstes Oratorium, Anfang 1707 wäh­rend seines Italienaufenthaltes entstanden, hat in jüngster Zeit einige szenische Umsetzungen erfahren, obwohl der Text des Kardinals Benedetto Pamphili keinerlei theatralische Situationen enthält.

Es handelt sich vielmehr um einen theologischen Traktat, der im Wortwechsel auf vier allegorische ­Figuren verteilt ist: Die Schönheit, ihre Vergänglichkeit vor Augen habend, lässt sich vom Vergnügen verführen, weiterhin ein sorgloses Leben im Diesseits zu suchen, wäh­rend Zeit und Erkenntnis die Endlichkeit ihrer Existenz in Aussicht stellen und sie zur Reue und Ausrichtung auf das ewige Leben nach dem Tode anhalten. Der Ausgang dieses in endlosen Dacapo-Arien ausgetrage­nen Diskurses ist einigermaßen klar: Die Schönheit wendet sich nach zweieinhalb Stunden schweren inneren Kampfes den Engeln zu und beschließt das Werk mit einer violinbegleiteten Arie.
Der heutige Hörer nimmt die Arbeit des 22-jährigen Komponisten unberührt von jeder moralischen Nutzanwendung als reines l’art pour l’art, bewundert die Fülle der melodischen Einfälle und vor allem die abwechslungsreichen Klangwirkungen, die Händel aus dem Konzertieren von Gesangsstimmen und ...

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Opernwelt Juli 2007
Rubrik: CDs, Seite 55
von Ekkehard Pluta

Vergriffen
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