Ganz schön ratlos

Das Jahr 1918 gilt als Zeitenwende: Umbruch aller Werte, Aufbruch im Theater. Was ist von der ästhetischen Schubkraft des damaligen Krisenbewusstseins geblieben? Lassen sich, zumal für die Oper, produktive Linien bis in unsere verunsicherte Gegenwart ziehen? Eine Skizze mit persönlichen Obertönen

Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs war die alte Ordnung Europas passé. Es folgten Jahre der sozialen und politischen Polarisierung. Auch über die Zukunft der Künste wurde erbittert gestritten. Nicht nur in der Oper hatte der Um- und Aufbruch natürlich schon vorher begonnen. Gibt manches Werk, damals uraufgeführt und heute wieder in den Blick genommen, Aufschluss über unsere Zeit? Stücke wie Hans Pfitzners «Palestrina», eine von herben Dissonanzen durchsetzte Auseinandersetzung mit dem Neuen.

Oder «Die Gezeichneten» von Franz Schreker, eine klangmächtig zerklüftete Dystopie der Versehrung, Verdrängung, sexueller Gewalt. 1918 | 2018: Beziehungen, Kontraste, Fluchtlinien im Jahrhundert der musiktheatralischen Moderne


Neunzehnhundertachtzehn, die Zeitenscheide. Vorher war die «Welt von gestern», wie späterhin die griffige Formel des österreichischen Romanciers und Historikers Stefan Zweig lautete. Das «Gestern» gewann in manchen Augen einen unwiederbringlichen Zug von Adel, Noblesse, Grandeur. Der nostalgisch gefärbten Beschwörung des Vergangenen in den Romanen von Joseph Roth standen die nüchternen Befunde Robert Musils und Hermann Brochs entgegen, denen die Aporien und Hohlheiten ...

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Opernwelt Jahrbuch 2018
Rubrik: Essay 1918 | 2018, Seite 104
von Hans-Klaus Jungheinrich

Vergriffen
Weitere Beiträge
Abgehoben

«Es schadet nichts, auf einem Entenhof geboren zu sein, wenn man nur in einem Schwanenei gelegen hat!» Kaum ein geflügeltes Wort Andersens ist in Dänemark so häufig parodiert worden wie diese Stelle aus dem «Hässlichen jungen Entlein». Auch Rued Langgaard lädt dazu ein. Das Künstlerkind wuchs auf in Kopenhagens feinem Viertel Gammelholm – alles außerhalb dieser...

Sehnsucht nach Stille

Den Titel ihres kürzlich erschienenen Memoirenbandes darf man durchaus als Lebensmotto verstehen: «Leicht muss man sein». Der Versuchung, sich das (ihr von Karl Böhm, Bernstein, Karajan und anderen angetragene) hochdramatische Fach zu erobern, hat sie widerstanden. Als Elvira, Dorabella, Carmen, Adalgisa, Octavian oder Marschallin aber – um nur einige ihrer...

Pontifex maximus

Geschlossene Gesellschaft, ein Zirkel nur für Eingeweihte. Nichts jedenfalls für Dilettanten und den Plebs. Auch weil diese Versuchsanordnung im Gonzaga-Palast weniger Kulinarik als intellektuelle Befriedigung versprach. Ein neues Genre galt es schließlich in Mantua zu beobachten und zu feiern, das sich am 24. Februar 1607 im «L’Orfeo» materialisierte und...