Drama der Herzen

Bellini: Norma
Frankfurt | Oper

Mit den ersten Moll-Akkorden der Ouvertüre, den prominent auffahrenden, in diesem Werk so wichtigen Paukenwirbeln, ist alles entschieden: Es sollte ein orchestral phänomenaler Premierenabend in Frankfurt werden. Antonino Fogliani, der mit kreisender, aber deutlicher Gestik an gute alte italienische Kapellmeistertradition erinnerte, an Dirigenten wie Giuseppe Patanè und Nello Santi, hatte alles im Griff – bis zum Schluss dieser «Norma» gab es nicht den Hauch eines Auseinandergehens von Bühne und Graben.

Entscheidender noch: Fogliani setzte jede Nebenstimme ins Recht, nahm die oftmals schematisch wirkenden Begleitfiguren exemplarisch elastisch, entwickelte Farbenflächen und bereitete Kulminationspunkte vor. Der 42-Jährige führte mit dem splendid musizierenden Frankfurter Opern- und Museumsorchester den Beweis, dass auch mit modernem Instrumentarium ein durchleuchteter, sprechender Klanggestus möglich ist, trotz eher weicher Einschwingungsvorgänge, trotz eines in Momenten geradezu molligen Carl-Maria-von-Weber-Tons. Das ist legitim, wenn mit derartiger Phrasierungssubtilität (Flötensolo in der Einleitung zu «Casta Diva»), gespannter Agogik und rauschhafter Steigerungsdramaturgie ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt August 2018
Rubrik: Panorama, Seite 40
von Götz Thieme

Vergriffen
Weitere Beiträge
Dass die Welt eine bessere werde

Mit der Uraufführung von Toshio Hosokawas Oper «Erdbeben. Träume» (siehe Seite 18) ist an der Oper Stuttgart nicht nur die Intendanz Jossi Wielers, sondern zugleich die Ära einer künstlerischen Kontinuität zu Ende gegangen – die des Regisseurs Jossi Wieler und des Dramaturgen Sergio Morabito, die das Haus für ein Vierteljahrhundert prägte. 36 gemeinsame...

Editorial August 2018

Traditionen haben etwas Gutes. Sie sichern und überliefern wertvolle Bestände, sie wirken stilbildend. Im Leben wie in der Kunst. Und eben auch in der Oper. Ohne Tradition, ohne den Blick zurück auf seine Anfänge, würde dieses Kraftwerk der Gefühle über kurz oder lang vermutlich stillstehen, zur musealen Einrichtung verstauben – zur Form ohne lebendigen Inhalt....

Sehen und gesehen werden

Die einen wollen nichts sehen – gründen gar eine ganze Familienkultur darauf. Am deutlichsten wird das im vierten Akt, als Arkel die schöne Mélisande ganz und gar ungroßväterlich auf den Mund küsst, als wollte er ihr die Jugendfrische aus dem Leib saugen: «Hast du Angst vor meinen greisen Lippen?» Da legen die Umstehenden, wie so oft in Stefan Herheims...