Nichts Genaues weiß man nicht
Wissen Sie, was «Belcanto» ist? Laut der großen Musikenzyklopädie MGG war «das ‹Goldene Zeitalter›» dieses Gesangsstils «das 18. Jh. und insbesondere seine erste Hälfte». Doch verwendet wird der Begriff heute nicht für Musik vor 1750, sondern für Rossini, Donizetti, Bellini (und manchmal sogar Verdi). Das ist Unfug, wie uns der italienische Wikipedia-Artikel auseinandersetzt: «In Wirklichkeit entsprechen die Partituren dieser drei Komponisten nur zu einem kleinsten Teil den ästhetischen Forderungen», die mit diesem Wort verbunden sind.
Man könnte noch weiter gehen: «Belcanto» ist ein Nostalgiewort. Nicht zufällig wird es erst seit der Mitte des 19. Jahrhunderts häufiger verwendet. Es birgt die Behauptung in sich, dass früher alles besser war – nicht nur, wie uns Karl Valentin gelehrt hat, die Zukunft, sondern eben auch der Gesang. Das mag ja sogar sein. Das Problem ist nur, dass für jeden Betrachter das schöne Singen zu einem anderen Zeitpunkt verlotterte: für Rodolfo Celletti nach Rossinis letzter italienischer Oper «Semiramide» (1823), für andere schon um 1800 oder mit Donizettis Verstummen 1845 oder mit Verdis Übergang zu seiner «mittleren» Periode oder gar nach dessen «Aida» ...
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Opernwelt Juni 2018
Rubrik: Einspruch aus dem Elfenbeinturm, Seite 72
von Anselm Gerhard
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