Ein Naturereignis, ungeheuerlich
Versunken sitzt er da. Die Schultern eingezogen. Die Arme auf dem provisorischen Schreibtisch ausgebreitet. Tief gebeugt über das unvollendete Werk. Als laste alles Unrecht unter der Sonne auf ihm. Als drücke der Erdenkreis ihn nieder, um dessen schreiend zartes, wimmernd wunderbares Klangbild er hier, in der Stille der römischen Villa Massimo, kämpft. Ein Schnappschuss aus dem Herbst 1963, in grobkörnigem Schwarzweiß: Bernd Alois Zimmermann arbeitet an den «Soldaten».
Fünf Jahre zuvor hatte ihm die Oper Köln den Auftrag erteilt. Anfang 1960 liegen die ersten beiden Akte vor.
Wolfgang Sawallisch, damals Musikdirektor des Hauses, winkt ab; auch Günter Wand, Chef des Gürzenich-Orchesters, hält das Stück für unaufführbar. Eine Mammutpartitur, «totales Theater», ein Sprengsatz für den Repertoirebetrieb. Zukunftsmusik, die Graben und Guckkasten, das traditionelle Raumgefüge in Frage stellt, mit aller Gewalt. Erst die konzertante Aufführung von drei Szenen im Großen Sendesaal des WDR (Leitung: Jan Krenz; Mai 1963) überzeugt den (neuen) Intendanten Arno Assmann, wieder grünes Licht für das unterbrochene, unerhörte Unternehmen zu geben. Im Februar 1965, beinahe fünf Jahre nach dem ...
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Opernwelt Juni 2018
Rubrik: Im Focus, Seite 12
von Albrecht Thiemann
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Polen ist bislang nicht als Zentrum für Alte Musik und genuine Aufführungspraxis bekannt gewesen. Doch das ändert sich. Gerade fiel der Countertenor Kacper Szelążek in Amsterdam bei der Aufführung von Stefano Landis Tragicommedia «Morte d’Orfeo» auf (siehe OW 5/2018). Nun hat sein Kollege Jakub Józef Orliński mit der Mezzosopranistin Natalia Kawałek, die regelmäßig...
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