Komplett vorbei
Das Werk: ein Problemfall. Bereits sein Schöpfer ächzte 1814 zum Librettisten Treitschke hinüber: «Die Oper erwirbt mir die Märtyrerkrone.» Beethoven irrte nicht. Bis heute stellen sich Regisseuren viele Fragen: Wie den drei Fassungen und den vier Ouvertüren begegnen, den hölzernen Dialogen? Dem dramaturgischen Bruch zwischen Singspiel, heroischem Musikdrama und finalem Menschheitsoratorium? Hasko Weber, Intendant des Deutschen Nationaltheaters Weimar, hat bei seiner ersten Opernregie darauf keine plausiblen Antworten gefunden. Er wollte «Fidelio» aufmöbeln und ist gescheitert.
Und das aus mehreren Gründen.
Einer ist das Dirigat von Niklas Willén, der für den im August 2016 gestorbenen, exzellenten Weimarer Kapellmeister Martin Hoff am Pult stand. Wo schon die Regie mit einer atmosphärisch leeren, von allerlei abstrusen «Ideen» durchzogenen Interpretation der Oper nicht gerecht wird, halten auch Willén und die Staatskapelle Weimar mit einer bestenfalls korrekten musikalischen Wiedergabe emotional nicht genügend dagegen. Bühne und Sänger oben, das Orchester unten – daraus entsteht noch lange kein Espressivo-Klang, geschweige denn eine Klangbeseelung. Vordergründig und durchwegs zu ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein

- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Opernwelt Mai 2017
Rubrik: Panorama, Seite 51
von Wolfgang Schreiber
Ich weiß nicht, wie viele «Opernwelt»-Leser auf Twitter aktiv sind, aber uns Sänger drängen die Agenten, karrierefördernd in den sozialen Netzwerken aktiv zu werden: Pseudo-Nahbarkeit im Sinne der Eigenwerbung. Ich selbst zwitschere auch. Meine Wortmeldungen sind entweder bewusster Unsinn oder Schüsse ins Lager der Trump-/Brexit-Fans, so oder so bleiben sie...
Als sich zur Ouvertüre der Vorhang im Auditorium de Dijon hebt, glimmt Hoffnung auf: neues Konzept! Eine Rückblende deutet darauf hin, dass Sarastro eigentlich Paminas Vater ist und Papageno deren früh verlassener Bruder. Die Handlung spielt nach einer Umweltkatastrophe: Die Welt ist zur Wüste geworden, sämtliche Relikte der kapitalistischen Wirklichkeit liegen...
Kann Oper eigentlich cool sein? Kann der überhöhte und überhöhende Tonfall des «unmöglichen Kunstwerks» (Oscar Bie) die gewollte Lässigkeit und rotzige Lakonie Heranwachsender einfangen? Oder ist Oper – zumindest in ihrer traditionellen Spielart mit klassisch ausgebildeten, gestützten und vibrierenden Stimmen – nicht tatsächlich das schiere Gegenteil von cool?...