
Foto: promo
Meister der Reduktion
Dass Musik der Stille entspringt, dass Töne und Geräusche der Stille bedürfen, um Wirkung zu entfalten, ist eine Binsenweisheit. Doch bei wenigen Komponisten unserer Zeit wird sie gleichsam zum Äther des Klanggeschehens. Zu einer Art Nährstoff, der jede Schwingung, jede Schwebung durchdringt. Zu einer Kraft, die dem Unerhörten, dem Unaussprechlichen Form und Gestalt gibt. Bei Salvatore Sciarrino schon. Und wie!
Was dieser Einzelgänger außerhalb aller Ismen und Schulen erfindet, scheint tatsächlich aus dem Nichts geboren. Und bleibt auf das absolut Notwendige beschränkt.
Der 1947 in Palermo geborene Komponist, der sich das Notenschreiben zunächst selbst beibrachte, ist ein Meister der Reduktion, einer Kurzschrift ohne kalligrafische Zier. Klang wird als Klang erfahrbar, als eine Energie, die unmittelbar trifft. Dahinter steht die Suche nach einer musikalischen Authentizität, die bei null ansetzt. Nach Tönen, Rhythmen, Harmonien nicht einer (mehr oder weniger) vertrauten Sprache, sondern eines uferlos zirkulierenden Bewusstseinsstroms jenseits der Sprache. Nach Drama, das sich weniger auf der Szene als in der Musik selbst ereignet.
Ein Musikdramatiker von unvergleichlichem Format ...
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Opernwelt April 2017
Rubrik: Magazin, Seite 84
von Albrecht Thiemann
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