Blinde Winkel
Es ist das alte Lied. Als die Salzburger Festspiele im August 2000 Kaija Saariahos erste Oper auf die Bühne brachten, kochte eine kapitale Kontroverse hoch. Als esoterischen Klangkitsch kanzelten nicht wenige Beobachter «L’Amour de loin» ab, als kunstgewerbliches Machwerk über den Topos der verbotenen Liebe in mittelalterlicher Troubadour-Lyrik, das wie eine spektral verbrämte, sich selbst genügende Messe für zivilisationsmüde New-Age-Eskapisten daherkomme.
Akustische Wellness, weltflüchtig, prätentiös, marktgängig – so lauteten auch die Einwände nach der Amsterdamer Uraufführung der nunmehr fünften Arbeit, die die in Paris lebende finnische Komponistin für das Musiktheater geschrieben hat: «Only the Sound Remains», zwei kurze Stücke für Countertenor, Bassbariton, Tänzerin, vier Choristen, sieben Musiker und Live-Elektronik.
Während «L’Amour de loin» um das gegen höfische Normen aufbegehrende Traumbild einer unerreichbaren Geliebten kreist, entzündete sich Saariahos filigrane Fantasie diesmal an Stoffen aus dem japanischen Nô-Kanon. «Tsunemasa» behandelt die Begegnung eines Zen-Meisters (Gyôkei) mit dem Geist des hoch geschätzten Lautenspielers Tsunemasa, der in einer Schlacht ...
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Opernwelt Mai 2016
Rubrik: Im Focus, Seite 22
von Albrecht Thiemann
Es war ein Kuriosum der Operngeschichte, eine Art Doppel-Uraufführung in einem Zeitraum von vier Monaten: Im Dezember 1925 kam an der Berliner Staatsoper Alban Bergs «Wozzeck» heraus, die grandiose Vertonung des grandiosen Büchner-Dramas; im April 1926 brachte das Stadttheater Bremen eine Opernfassung desselben Stoffes von seinem damaligen Generalmusikdirektor...
Für Susanne Elgeti streift Dieter Schnebel noch einmal den Talar über, richtet das geteilte Beffchen des reformierten Protestanten, hebt die Arme und spricht den Segen für eine imaginäre Gemeinde. Die Kirche ist leer, der Atem geht schwer. Vom «Friede Gottes» hören jetzt nur die Regisseurin und ihr Team. Gut so?, fragt der Blick des Pfarrers a. D. Der «Friede...
Norma hat Angst. Was, wenn ihre verbotene Liebe zu Pollione auffliegt? Aber auch Pollione hat Angst. Die gemeinsamen Kinder sowieso, von Polliones neuer Geliebten Adalgisa ganz zu schweigen. Nadja Loschky zeigt diese Ängste in einer Pantomime zur Ouvertüre, mit klaren Gesten Bellinis Musik folgend, ebenso sensibel wie genau.
Am Ende der Ouvertüre fällt der Vorhang...