Aus zweiter Hand
Fünf Holzstühle, vorn rechts. Fünf Grablichter. Vor jedem Stuhl eines. Sonst ist nichts zu sehen, wenn zu Beginn des dritten Aufzugs die Streicher trauertrunken, «mäßig bewegt», in sehrendem Klageton verkünden, dass dem liebesglühend-todessüchtigen Paar auf Erden wohl nicht mehr zu helfen ist. Kareol liegt im Dunkel. Im opaken Dunst eines Nirgendwo. Zum leeren Screen wird hier der Raum. Zu einer Tafel, auf der, in Tristans Fiebermonolog, Traumbilder schimmern, Halluzinationen – und gleich wieder verblassen.
Marienblaue Isolde-Erscheinungen schweben da in milchig-trüben Dreiecksrahmen. Ungreifbar, körperlos stehen sie ab vom schwarzen Grund. Verschwinden im Boden, verlieren den Kopf, schwitzen Blut, sobald Herr Tristan naht. Sinken zurück in die alles umfangende Nacht.
Die Idee, in Bayreuth ein «unsichtbares Theater» zu «erfinden», ist nicht neu. Wagner selbst soll sie – laut Cosima – bereits 1878 in die Welt gesetzt haben. Vor gut zehn Jahren wäre es beinahe Wirklichkeit geworden: In «totaler Finsternis» wollte der dänische Filmregisseur Lars von Trier («Melancholia») den «Ring» spielen lassen, den er dann doch nicht inszenierte. Nur durch winzige, durch den Guckkasten wandernde ...
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Opernwelt September/Oktober 2015
Rubrik: Im Focus, Seite 12
von Albrecht Thiemann
Kennen Sie Méhul? Vor hundert Jahren hätte sich auch im deutschsprachigen Raum jeder Opernliebhaber an die biblische Oper «Joseph» erinnert; noch 1920 richtete Richard Strauss höchstpersönlich diese Partitur aus dem Jahr 1807 für die Dresdner Staatsoper ein. Das erfolgreichste Werk des aus dem französisch-belgischen Grenzgebiet stammenden Komponisten liegt seit...
Wie ein Meeresarm liegt er da, der Sankt-Lorenz-Strom, mehr als ein Kilometer sind es von Ufer zu Ufer. Ein erhabener Anblick. Und ein Gegenbild zu den monotonen Wald- und Agrarlandschaften, die der Highway von Montréal durchmisst. Erst auf dem Pont Pierre-Laporte wird uns so richtig bewusst, dass Québec am großen Wasser liegt: schon vor den Toren der Stadt ein...
Beim letzten und bisher einzigen Mal Oper waren die Beteiligten reif für die Kollektivbeichte. Ausgerechnet hier, wo das Leiden des Herrn seit einem Pestgelübde nachgestellt wird, ließ Salome ihre sieben Schleier fallen – damals, 1996, im Rahmen der Richard-Strauss-Tage und als Besuch des Mariinsky-Theaters mit Valery Gergiev. Nur alle zehn Jahre das Theater zur...