Sonne, Mond und Sterne
«Juditha triumphans» auf der Opernbühne? Ein venezianisches Publikum im 18. Jahrhundert hätte dagegen wohl Einwände erhoben: zu wuchtig der Klang des opulent besetzten Orchesters (zu teuer im Übrigen auch fürs Budget des Impresarios), zu viele Chöre und kein einziges Duett, die Hierarchie der Figuren zu flach, stattdessen gleich fünf Sängerinnen im Ensemble mit weitgehend gleicher Tessitura.
Kein schriller Kastratenpart, kein nachtschwarz polternder Bass – wie überaus ungewöhnlich, hochwürdiger Herr Vivaldi! Für uns dagegen sind das alles überhaupt keine Argumente gegen eine spannende Musiktheaterproduktion – lateinisches Libretto hin oder her.
Die Regisseurin Elena Barbalich hat den Versuch gemacht – und es ist ihr mehr recht als schlecht geglückt. Tableaux vivants illustrieren den Fortgang des Geschehens, gemessenes Schreiten und fließende Stoffe bestimmen die Bewegung. Subtil kommen feministische Symbolik und unterschwellige Erotik zur Geltung, gespeist aus griechischer Mythologie und barocker Malerei. Barbalichs Trumpfkarte aber ist die Lichtdramaturgie, die das Libretto bereits enthält: Sonnen- und Monduntergang, Sterne und Fackeln, Morgengrauen, Sonnenaufgang, strahlendes ...
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Opernwelt August 2015
Rubrik: Panorama, Seite 50
von Carlo Vitali
Es ist etwas faul in der Serenissima. «Silenzio. Mistero», raunt der Chor. Nebelschwaden quellen aus schlierig-grauem Kunstmauerwerk. Fast bis zu den Knien steht das Wasser. Die Gondeln liegen fest vertäut. Der Palast-Container ist verschlossen. Das Innere: ein goldener Käfig. Die Tore öffnen sich nur, wenn Francesco Foscari, der zwischen Familie und Staatsräson...
Neulich fuhren wir – das Ensemble aus Robert Carsens «Midsummer Night’s Dream» beim Festival in Aix-en-Provence – mit dem Zug rauf nach Lyon: Die sogenannte Sitzprobe stand an. Kolleginnen, die bisher ausschließlich in Jeans und Schlabberpullis herumschlurften, trugen plötzlich kurze Röcke, High Heels und schichtweise Make-up, um nachher mit dick getuschten Wimpern...
Faust, ein Wrack. So drastisch-desolat Philipp Stölzl den alten Goethe-Zweifler auch hängen lässt – an den Rollstuhl gefesselt, verfangen in Tröpfen, Kanülen und Kathetern –, so konventionell verfährt er bei der Neuerarbeitung seiner Gounod-Inszenierung aus Basel (siehe OW 5/2008). Zumindest für hauptstädtische Verhältnisse. Emblematisch, also von Schlüsselbildern...