Wathosen im Stiftsbezirk
Es ist etwas faul in der Serenissima. «Silenzio. Mistero», raunt der Chor. Nebelschwaden quellen aus schlierig-grauem Kunstmauerwerk. Fast bis zu den Knien steht das Wasser. Die Gondeln liegen fest vertäut. Der Palast-Container ist verschlossen. Das Innere: ein goldener Käfig. Die Tore öffnen sich nur, wenn Francesco Foscari, der zwischen Familie und Staatsräson zerrissene Bariton-Doge, etwas zu singen hat. Oder wenn Loredano, sein Bass-Rivale, gegen den Sohn Jacopo (Tenor) hetzt.
Der Blickfang der Venedig-Kulisse, die Rifail Ajdarpasic in den Klosterhof des Stiftsbezirks gebaut hat, ist ohnehin nicht dieser Tresor der Macht. Die Aaahhs und Ooohhs gelten vor allem der «echten» Lagune und – wie jedes Jahr – den zwei mächtigen, über allem wachenden Türmen der Kathedrale, aus denen zum Finale, o Schauder!, taktgenau die Todesglocke dröhnt.
Für die zehnte Saison der St. Galler Festspiele wollte Operndirektor Peter Heilker endlich einmal «I due Foscari» eine Freiluft-Chance geben, Verdis 1844 in Rom uraufgeführter sechster Oper. Musikalisch bietet das Werk eigentlich alles, was das (Belcanto-)Herz begehrt: melancholische Lyrismen und schneidende Koloraturen, großformatige Ensembles, ein ...
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Opernwelt August 2015
Rubrik: Panorama, Seite 49
von Albrecht Thiemann
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Alle müsste man sie zusammenspannen, diese Frauen. In einer Debattenrunde, wo sie sich austauschen könnten über ihre Männer, ihre Geliebten, Söhne oder Väter, mehr noch: über das enge, gefährliche Geflecht aus Tradition, Konvention, auch aus selbstverschuldeter Passivität. Insofern ist da eine illustre Runde bei den Münchner Opernfestspielen zusammengekommen. Und...
Mehrere politische wie gesellschaftliche Revolutionen hat «Le nozze di Figaro» in ihrer knapp 230-jährigen Geschichte schon erlebt, wie Francis Hüsers, der Johannes Eraths Inszenierung als Dramaturg betreut, im Programmheft mit Recht hervorhebt. Die Adelskritik weist in Richtung französische Revolution, während die offene Thematisierung von nichtehelichen...