Fern tümelnder Romantik
Wunderbar, wie in der Ouvertüre die Soloklarinette als jäh aufschießende Flamme die Allegro-Erregungen des Orchestertuttis durchbrach, an Klangmacht der impetuösesten Trompete nicht nachstehend und doch so viel verwandter einer transzendierten Menschenstimme. Auch die Hörnergruppe des Staatsorchesters, leicht aufgeraut und virtuos eloquent, hatte unter der souveränen Leitung von Marc Piollet Format – so gelang eine markante musikalische Konzeption, weitab von klischeehaft «tümelnder» Romantik-Tradition.
Selbst der harmlos daherkommende Brautjungfernchor bekam noch ein raffiniertes Rubato mitgeteilt. An dieser hochrangigen musikalischen «Freischütz»-Wiedergabe hatten die Sänger einen nicht geringen Anteil, vor allem die ruhevoll gestaltende und aussingende Susanne Serfling (Agathe), die vollblütig kapriziöse Jana Baumeister (ihre zweite, von der Bratsche «miterzählte» Arie, dramaturgisch fast ein Fremdkörper, ist vielleicht die bestrickendste «Nummer» der Partitur) und der als Max figürlich und darstellerisch frappierend agile, vokal bei durchaus solider Kraftentfaltung etwas eindimensionale Mark Adler.
Komplizierter steht es um die Würdigung der szenischen Arbeit an dieser ...
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Opernwelt August 2015
Rubrik: Panorama, Seite 38
von Hans-Klaus Jungheinrich
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