Der Gladiator
Willkommen in der Welt der Posen. Warum sollte ein Opernsänger nicht Ronaldos Pfauengehabe imitieren? Willkommen in der Welt des Halls, der die Stimme riesenhaft schwellen lässt. Welche Zauberkunst war es, die ihr in der tiefen Lage bassbaritonale Fülle geschenkt hat und in der Höhe (klanglich seltsam abgekoppelt von der mittleren Lage) tenorale Töne, die an den legendären Josef Metternich erinnern? Willkommen in der Welt der Kraftmeierei, die das von Méphistophélès besungene Goldene Kalb mit dem Mittel vokaler Testosterone zum Ochsen wachsen lässt.
Willkommen in der Welt von Erwin Schrott. Dort werden dunkle Vokale um eines Forte willen mit einem grölenden Indifferenzlaut gebildet. Dort werden lange Noten megaphonisch verstärkt, die kleinen dagegen flach und resonanzarm gesungen. Ob als Escamillo oder Attila, Mefistofele oder Scarpia: Der Bariton aus Uruguay gefällt sich in der Rolle des Gladiators. Die Arie des Dapertutto singt er, bei unsinnig raschem Tempo, mit protzender Kraft, aber ohne die farblichen Valeurs einer suggestion diabolique. Im Studienbuch des großen französischen Martial Singher hätte er nachlesen können, dass es im Couplet des Escamillo tatsächlich einige ...
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Opernwelt August 2012
Rubrik: Medien, CDs, Seite 25
von Jürgen Kesting
Jean Cox erschien auf der Bühne immer jünger, als er war. Als er 1984 in einer «Meistersinger»-Aufführung der Bayreuther Festspiele als Stolzing einsprang, wirkte er frischer und agiler als der um zwei Jahrzehnte jüngere, eigentlich vorgesehene Kollege. Niemand wäre damals auf die Idee gekommen, dass dieser Tenor bald das Rentenalter erreichen würde. Die Stimme...
In der 41. Minute passiert es dann doch. Das vorher ziemlich brave Ulmer Publikum revoltiert kurz, aber herzhaft. «Des isch kei Kunscht», brüllt eine enervierte Dame, die gleich darauf mit ihrem Begleiter polternd den Saal verlässt. Weitere Zwischenrufe folgen, es gibt größere Abwanderungsbewegungen. Schon erstaunlich, wie John Cage, dessen hundertsten Geburtstag...
Alles läuft gleichzeitig. Drinnen fantasiert Wolfgang Rihm mit Nietzsche über Nietzsche; draußen animiert ein Shaolin-Mönch zum Tai Chi. Wenn das Publikum der Berliner «Dionysos»-Premiere aus dem Schiller Theater in die sommerschwüle Pause strömt, sind die Exerzitien auf dem Vorplatz bereits in vollem Gang. Jeder kann mitmachen. In der Schiller Werkstatt lassen...